von addis abeba nach nairobi

in der recycling-stadt
addis, 20.12.2004
was ist reisen? #2
addis, 20.12.2004
nachrichten aus äthiopien
addis, 20.12.2004
der garten afrikas
addis, 20.12.2004
brot für die welt
arba minch, 21.12.2004
gech
arba minch, 22.12.2004
das gut versteckte paradies
arba minch, 23.12.2004
die alltägliche plünderung
arba minch, 24.12.2004
stille nacht, heilige nacht
arba minch, 24.12.2004
small is beautiful
arba minch, 25.12.2004
entschleunigung bis zum stillstand
konso, 26.12.2004
in anti-äthiopien
konso, 26.12.2004
durchs rift valley
27.12.2004
ein schulaufsatz
28.12.2004
endlich in kenia
moyale, 28.12.2004
master & servant
moyale, 28.12.2004
afrikanische Logik
marsabit, 29.12.2004
return of the dicke taube
marsabit, 29.12.2004
baustelle...
marsabit, 30.12.2004
snapshot, aber was für einer
marsabit, 30.12.2004
flucht im 4WD
marsabit, 31.12.2004
verbranntes niemandsland
am turkana-see, 2./3.1.2005
im rausch der weite
zwischen turkanasee und baragoi, 4./5.1.2005
von jedem ein bisschen
nairobi, 7.1.2005
die grossstadt leuchtet
nairobi, 8.1.2005



in der recycling-stadt
addis, 20.12.2004





in addis gibt es nicht einfach nur einen markt. es gibt den "mercato". den grössten markt in ostafrika. eine stadt in der stadt. er ist so gross, dass man wir ihn zunächst fast übersehen. denn all die wellblächdächer, die sich westlich vor der piazza den hang hinabziehen, sind keine dächer von heruntergekommenen wohnhäusern. es sind marktbuden, zwischen denen sich gänge von höchstens anderthalb metern breite befinden.

der mercato erfordert eigentlich einen eigenen stadtplan. da gibt es ein ganzes viertel, in dem nur stoffe verkauft werden, so gross wie in vielen anderen städten der ganze markt, viertel für schuhe, korbwaren, haushaltskram...

nachdem wir zwei stunden in sengender hitze durch dieses scheinbare durcheinander gelaufen sind, kommen wir in eine gasse ohne asphalt, voller schotter und schlaglöcher. laster und minibusse sind in einem stau verkeilt, es geht nicht vor und zurück, menschen sich durch die wagen. an einer ecke werden leere mineralwasserflaschen zu bündeln verschnürt, leere konservendosen gesammelt. ein paar meter weiter stossen wir auf alte reifen. ein paar werden zerschnitten und in badelatschen umgewandelt. wir gehen weiter, winden uns zwischen "you" rufenden kindern und neugierigen erwachsenen hindurch. die gasse wird immer enger und schmutziger, fällt ab, ölschlieren schimmern in pfützen zwischen dicken wackersteinen. ein paar männer sitzen in diesem dreck und biegen armiereisen zurecht. hier ist kein durchkommen, wir suchen einen anderen weg.

ein lautes hämmern ertönt. schwarzverschmierte männer schlagen auf ausrangierte stossdämpfer von lastern und bussen ein. wir biegen um die ecke und landen in einer "stahlhandlung". überall sind stäbe in bündeln gestapelt, die meterhoch in den himmel ragen. einige meter daneben schneiden andere lederriemen zurecht. frauen tragen körbe und wannen vorbei, niemand steht still, alle such den weg zu einem gegenstand, der ihnen fehlt. ein mann sitzt in einem verschlag und repariert bügeleisen. an den wänden stapeln sich elektroartikel und elektroschrott, laden an laden, kein knopf, kein schalter, kein motor, der sich hier nicht finden liesse.

was bei uns wahlweise als ökonomischer luxus oder ökologische zukunftsvision gilt, hier ist es blanke überlebenskunst. alles muss wiederverwertet werden, weil das neue unbezahlbar ist. die alltagstechnik, die wir im geschäft kaufen, ist hier ein schweineteurer import, den sich nur die upper class leisten kann. der rest ist auf die kunst des recyclings angewiesen. was uns auf den ersten blick bemitleidenswert oder rückständig vorkommt, ist möglicherweise eine notwendigkeit in der zukunft auf einem ausgelaugten planeten.

wenn bei uns eine neue ölkrise oder ein crash der weltwirtschaft die hightechzivilisation zusammenbrechen liesse, wäre addis längst gewappnet. hier wüsste man die lebensdauer der technosphäre noch um jahre zu verlängern, wenn man bei uns schon längst resigniert hätte, weil nichts mehr geht. -nbo


was ist reisen? #2
addis, 20.12.2004

reisen ist ein full-time-job. du kommst an einem neuen ort an und musst erst mal ein bett finden. wehrst hotelschlepper ab, die dich wie fliegen umkreisen, wenn du aus dem bus steigst. begutachtest ein zimmer hier, ein bad dort. dan eine entscheidung. durchatmen. dringend etwas trinken. ständig brennt die sonne und trocknet dich aus. oder verkleben autoabgase deine lungen. du zwingst dich, wenigstens deine 1,5-liter-flasche wasser am tag zu trinken, obwohl dir die laue brühe schon lange zum hals raushängt.

OK, gehen wir mal vor die tür. sofort bist du wieder von glücksrittern umzingelt, meistens um die 20 jahre alt. can I help you? you make tour? where you from? zu viele fragen, auf die du nicht antworten willst oder kannst. du gehst die strasse runter und spürst den schatten, der dir folgt. "mister", "hello", "my friend" wispert es permanent aus türnischen und läden. ein "good price" verfolgt dich unablässig, denn bist du etwa nicht zum hardcore-shoppen in dieses land gekommen?

du willst dir etwas angucken und hast keine lust laufen, weil es zu heiss ist oder der das mister-geflüster auf die nerven geht. ein taxi, ein rikscha, ein tuktuk muss her. du nennst dein ziel, und der fahrer antwortet dir mit einem phantasiepreis. dann folgt das ewige gefeilsche. nach einem kurzen wortwechsel steigst du achselzuckend ein. am ziel schaust du dir etwas an, was dir fremd ist, was du nicht verstehst. blätterst in deinem handbuch, in dem nie genug steht, um deinen wissensdurst zu stillen. vielleicht nimmst du einen guide, der dir auch wieder nur die basics herunterleiert. deine nachfragen versteht er nicht richtig.

mit bildern und fragen im kopf ziehst du weiter. setzt dich irgendwohin, um einen kaffee, einen tee zu trinken, eine zigarette zu rauchen. aus dem hintergrund schwappt schon wieder ein schwall von fragen herüber. kinder kommen vorbei und wollen dir kleinkram verkaufen, den du nicht brauchst. jede minute eins.

irgendwann wird es dunkel, zeit etwas zu essen. du checkst strassenstände, restaurants, vergleichst sie vielleicht mit einem tip aus deinem handbuch. dein abendessen ist entweder ein gericht, das du noch im leben gesehen oder schon die ganze woche gegessen hast, weil die lokale speisekarte ziemlich kurz ist. 5 tage mensaf in jordanien, 5 tage hühnchen und fuul in ägypten, 5 tage kebap im sudan, 5 tage kitfo oder tibs in äthiopien.

OK, ich übertreibe ein wenig. im nahen osten oder asien kommt ein anderes problem hinzu. diese trostlose getränkekultur. wasser, cola, tee oder bier. cola ist dir auf die dauer zu süss. tee, davon reichen vier tassen am tag wirklich. das zweite bier am abend schmeckt auch schon fad (ein königreich für ein frischgezapftes jever). ein guter wein? apfelsaft? apfelschorle? ein toller cappucino? mineralwasser mit kohlensäure? Matelimo? ach ja.

mit schwirrendem kopf sinkst du in einen unruhigen schlaf, der mitten in der nacht - so kommt es dir vor - unterbrochen wird. der müzzin ruft, die ersten trucks donnern hinter der einfachverglasten scheibe dahin, eine hühnerarmada gackert und kräht. du drehst dich um und erhaschst noch mal zwei stunden schlaf.

dann das nächste problem: was frühstücken? im nahen osten oder in afrika gibt es immerhin hervorragenden kaffee. aber das essen? schon morgens saubohnen (fuul) wie in ägypten? nudelsuppe wie in asien? firfir wie in äthiopien? oder das 43. traveller-omelett, das für "den" westler überall auf der welt auf der karte steht? das continental breakfast besteht aus chemiemarmelade und brot. na wenigstens brot. ach, ein camembert - doch vor dir liegt nur schmelzkäse, der mit der lachenden kuh, auf dem teller, jedenfalls im nahen osten.

und irgendwann musst du dich entscheiden, wie du weiterfährst. bustickets am ende der stadt organisieren. oder in aller hergottsfrühe am busbahnhof sein, weil fahrkarten nur am selben tag verkauft werden. dann fährst du ab, kommst stunden später woanders an, und das spiel geht von vorne los. -nbo


nachrichten aus äthiopien
addis, 20.12.2004

es gibt hier erstaunlich viele zeitungen, diverse auf amharisch, aber auch einige englischsprachige tages- und wochenzeitungen. das ereignis der letzten woche war der besuch von bundespräsident horst köhler, der sich tatsächlich drei tage zeit nahme, um das hundertjährige jubiläum der deutsch-äthiopischen beziehungen zu würdigen. im gepäck hatte er einen schuldenerlass von 70 mio. euro. das klingt nicht viel, aber in birr umgerechnet sind es 770 mio. wenn man berücksichtigt, dass im alltag ein birr eine ähnliche kaufkraft hat wie ein euro bei uns, ist das eine ungeheure summe. ungeheuerlich ist aber auch ein lapsus der deutschen delegation, den die hiesigen zeitungen kritisch vermerkt haben. seit jahren verweigert der äthiopische premier meles zenawi unabhängigen medien die teilnahme an seinen regie-rungspressekonferenzen. nun hatten die deutschen im vorfeld des köhler-besuchs den wunsch angemeldet, dass das bei der gemeinsamen pressekonferenz anders sein solle. irgendein ministerium versprach sich, darum zu kümmern. das war's dann auch. als die konferenz stattfand, kamen wie üblich nur die journalisten der staatlichen medien. das ist nicht nur peinlich, sondern skandalös. es wäre ein leichtes gewesen, für den schuldenerlass so viel entgegenkommen durchzusetzen. stattdessen räsonnierte köhler in wohlfeilen worten über die probleme afrikas mit korruption und demokratisierung. der wortlaut seiner rede war überall abgedruckt. viel heisse luft. und einem premier, der äthiopien massgeblich mit in den absurden krieg gegen eritrea (1998 - 2000) hineingeritten hat, erlässt man das minimum demokratischer kultur.

in äthiopien gibt es 4,7 mio. waisen, lese ich. zurückgelassen von hunger, krieg und AIDS. das sind immerhin 7 prozent der gesamtbevölkerung.

ein neues gesetz legt erstmals eine mindeststrafe für vergewaltigungen fest, nämlich 5 jahre. wie eine frauenrechtlerin hierzu in einer zeitung bemerkte, konnten vergewaltiger bisher damit rechnen, mit läppischen strafen davonzukommen (wenige monate, geldbusse).

gewalt gegen kinder und frauen scheint in äthiopien ein echtes problem zu sein. in mehreren zeitungen wurde innerhalb der letzten acht tage darüber berichtet. vor allem eine strikte festschreibung von kinderrechten fehle bisher.

und noch einmal premier meles zenawi. der hat vor kurzem einen 5-punkte-friedensplan für den konflikt mit eritrea vorgelegt. das erstaunliche: zenawi begnügt sich nun damit, den zustand vor dem krieg von 1998 wiederherzustellen, den er vor zwei jahren noch als inakzeptabel bezeichnet hatte. die fünf punkte sind ein witz. punkt 1 beinhaltet zum beispiel, dass sich äthiopien dem frieden verpflichtet fühlt. so füllt man diplomatisches papier.

die wochenzeitung "capital" titelte "water crisis in addis". der zustand der wasserversorgung in der hauptstadt ist offenbar total verrottet und chemisch belastet. und in naher zukunft wohl irreparabel. das ist um so erstaunlicher, als grosse teile äthiopiens nicht unter wassermangel, und addis liegt im zentralen hochland, das saftig grün ist. der leitartikel von capital war dennoch tiefpessimistisch. "ethiopia is dying" lautete die these. -nbo


Der Garten Afrikas
Addis, 20.12.2004

Denkt man an Äthiopien, kommen sofort die Katastrophenbilder aus den 80ern in einem hoch. Blähbäuchige Kinder mit unzähligen Fliegen in jeder Kopföffnung und hungrigen glasigen Augen. Heute, 20 Jahre nach der Dürre, hat das nur noch wenig mit diesem Land zu tun. Hier wachsen Früchte aller Art in Hülle und Fülle, Mangos, Papayas, gigantische Bananen, Orangen. Hier muss keiner hungern. Der rote Boden ist der fruchtbarste, den es gibt.

Trotzdem, würde wieder eine Ernte ausbleiben, wüsste sich auch heute keiner zu helfen, die Probleme wären heute die gleichen, wie vor 20 Jahren. Keiner hat hier etwas dazugelernt, es gibt keine Vorratshaltung oder vorrausschauende Vorsorge.

Was geblieben ist aus deser Zeit, ist der Glaube an die westliche Hilfe, vor allem in finanzieller Hinsicht. Warum deswegen auch planen? Man muss doch nur abwarten, bis die nächste Katastrophe kommt und man wieder überschüttet wird mit Hilfsgütern aus aller Welt.

Der körperliche Hunger ist einem anderen Bedürfnis gewichen, dem Hunger nach Wohlstand. Doch dafür sind es einfach zu viele, eine Bevölkerung von 72 Mio. Menschen, von denen es jeder als Erster geschafft haben will.

Und plötzlich ist nichts mehr übrig von der vollmundig beteuerten afrikanischen Gelassenheit. Es wird gerempelt, getreten und gespuckt. Es regiert der Instinkt, von Zivilisation weit entfernt. Die Scheisse quillt unter Klotüren durch, Hygiene ein Fremdwort, Krankheiten können sich verbreiten, wie Lauffeuer. Wenn eine Population aus den Fugen grät, herrschen animalische Zustände. Vor allem, wenn der überdurchschnittliche Teil unter 25 Jahre alt ist, eine pubertierende Bevölkerung ohne die so notwendige Weitsicht.

Wieso auch an morgen denken, wenn es uns doch heute gut gehen soll? "Hey mister, give me five Birr!" Schnorren kann hier jeder, diese Lektion haben sie von ihrer Regierung nur zu gut gelernt. nach Diktat verreist -dwo


Brot für die Welt
Arba Minch, 21.12.2004

Wer kennt sie nicht, die zahllosen nichtstaatlichen Organisationen, in denen man gerade zur Weihnachtszeit sein Gewissen erleichtern kann. Dann herrscht hier Hochkonjunktur, und das nicht nur in den Spendentöpfen. Auch in den teuersten Hotels des Landes, in denen die Angestellten dieser Organisationen (NGOs) weihnächtens zu residieren pflegen.

Im Bekele Mola Hotel in Arba Minch, in dem wir uns eine gepflegte Pause gönnen wollen (das Zimmer immerhin zu 288 Birr) haben wir Glück und bekommen das letzte freie Zimmer. Alle anderen sind schon seit Wochen ausgebucht, von NGOs, wie wir vom Manager erfahren. Da geht das Geld also dahin. Geld, bei dem der edle Spender sicherlich dachte, damit ein hungriges Mäulchen zu stopfen zu können oder dringend benötigtes Schulmaterial und nicht den Weihnachtsurlaub irgendeines "Wohltäters" zu finanzieren.

Wieviel der Spendeneinnahmen tatsächlich beim Empfänger ankommt, nachdem Administration, Managergehälter und Fuhrpark abgezogen sind, ist unüberschaubar. Es mag vielleicht idealistisch klingen, aber abgesehen von medizinischen Unterstützung sollte Helfen kein Berufszweig sein, sondern vielmehr eine Herzensentscheidung, ehrenamtlich, Hochqualifizierte nicht ausgeschlossen. Wenn ich sehe, wo hier das Geld versickert, bleibt für andererleuts Weihnachts-Chichi meine Tasche jedenfalls zugeknöpft. nach Diktat verreist -dwo


gech
arba minch, 22.12.2004

"ich bin auf dieser strasse gross geworden", sagt gech und zeigt auf die buckelpiste vor der flamingo pastry. das ist die hauptstrasse der unterstadt von arba minch. seine haare will re sich jetzt lang wachsen lassen. im nacken baumeln ein paar kurze geflochtene zöpfe, wie manche hiphopper das tragen.

in sechs monaten wird gech vater. "das baby wird ein makiato." ein milchkaffee, denn die mutter ist eine engländerin, die er hier in arba minch kennengelernt hat, als sie als englischlehrerin arbeitete. jetzt ist sie wieder in london und im frühjahr will er sie dort besuchen. "aber ich will nach paar monaten wieder zurück, am liebsten meine eigene agentur aufmachen."

gech ist anders als die "lost generation", wie woldo und ich die jungen männer zwischen 15 und 30 getauft haben. gech kennt deren traum. "die glauben, dass in europa das geld auf den bäumen wächst." sie hoffen auf das schnelle geld, das man den "faranji", den touristen, aus der tasche ziehen kann. natürlich ohne arbeit. bloss keinen finger krümmen und sich am besten noch den nagel vom kleinen lang wachsen lassen.

und was macht die lost generation den ganzen tag? "24 hours ass-working", sagt gech trocken. also rumsitzen und nach touristen ausschau halten. gech hat als kleiner steppke am busbahnhof für touristen rücksäcke getragen und dabei das erste englisch aufgeschnappt. wie viele andere.

aber irgendwann hatte er eine neue idee, neu jedenfalls für den ort. er machte einen büchertausch für traveller auf. engländer schickten ihm 50 gelesene bücher zu, und dann zog er mit seinem stapel durch die cafes. wer ein buch tauschte, musste 5 birr zahlen. das brachte ihm schliesslich genug geld ein, um mit zwei freunden für 30 birr im monat ein zimmer zu mieten, ohne wasser und strom. endlich weg von der strasse.

dann überzeugte er eine reisegruppe, ihn mit ins omo valley zu den stämmen zu nehmen. so fing er an, das tal kennenzulernen, bis er selbst tourguide wurde. das geld reichte dann, um ein ganzes haus zu mieten.

mit seiner mutter hat er dann auch noch ein waisenhaus aufgemacht. 40 kleinkinder leben dort, ältere nicht, die könne man nicht mehr auf den richtigen weg bringen, sagt er. er hat auch anderen strassenkindern jobs organisiert. "die leute hier in den läden", und er zeigt auf die andere strassenseite, "haben alle genug geld. von denen ist keiner arm. aber sie kümmern sich hier um nichts."

warum gibt es nicht mehr typen wie gech? es sind offenbar vor allem europäische traveller gewesen, die ihn geprägt haben. "I love this generation from europe." für die mutter seines makiato will er putzen und kochen, wenn das so sein muss, so wie es in europa inzwischen auch selbstverständlich für männer ist.

mit den äthiopischen frauen kann er nicht mehr viel anfangen. "die waschen ihren männern sogar die füsse." und vergässen dabei das leben, sagt er. das leben, das ihn fasziniert. anfang 20 ist gech erst, aber ich glaube, er ist sogar weiter als viele der von ihm bewunderten generation in europa. -nbo


Das gut versteckte Paradies
Arba Minch, 23.12.2004





Der Süden Äthiopiens ist abgesehen von seiner Naturvielfalt in jeder Hinsicht unterentwickelt. Und wenn es nach der Regierung geht, soll es so auch bleiben. Eigeninitiativen, wie zum Beispiel die touristische Erschliessung dieser Region werden finanziell nicht unterstützt oder sogar vereitelt. Dies erzählt uns Kapo Kansa, der das Tourist Office in Arba Minch im Alleingang schmeisst und der diesen Boykott schon am eigenen Leib erfahren hat. Der Süden mit den Naturparks Omo Valley und Rift Valley wird vorsätzlich ausgeblutet. Das ganze Geld geht in den Norden, dorthin, wo die meinungsstarke Wählerschaft sitzt. Was für uns als Touristen durch die Ursprünglichkeit dieses Landstrichs reizvoll scheint, ist für dessen Bevölkerung eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Die nötigen Gelder für Wasserversorgung und Strassenbau bleiben aus, damit der Norden blüht. In keinem äthiopischen Bildband ist auch nur ein einziges Foto dieser Region abgedruckt. Jetzt weiss ich auch, warum.  nach Diktat verreist -dwo


die alltägliche plünderung
arba minch, 24.12.2004





tief hängt die graue wolkendecke über dem rift valley, giesst den nechisar national park zu füssen unserer hotelterrasse noch einmal kräftig. als wir mit unserem guide kapo kansa nach dem frühstück den steilhang hinuntergehen, kleben uns schon nach wenigen minuten zentimeterdicke schlammklumpen unter den sohlen. die wolken haben aber auch ihr gutes. es ist angenehm kühl in dem friedlichen wald unten in der talebene, der die beiden seen abaya und chamo von einander trennt.

doch von dschungel kann hier keine rede sein. der wald ist stellenweise gelichtet wie deutsche vorstadtwälder. immer wieder hören wir eine axt durchs grün schallen. einen burschen treffen wir, der in einer baumkrone hockt und einen riesenast abhackt. krachend fällt der zu boden. an den zweigen hängen trauben von dokme, kirschenähnlichen früchten. so erntet man hier also obst, anstatt es zu pflücken, wird kurzerhand der halbe baum umgehauen.

wieder und wieder sehen wir frauen schwere brennholzbündel aus dem unterholz schleppen. als wir nach stunden schwitzend und schnaubend auf dem hügel auf der anderen seite des waldes stehen - mit einem grandiosen blick über beide seen -, runzelt kapo die stirn. "da hinten an dem hang fehlen ein paar bäume." jeden tag wird der nationalpark ein wenig mehr ausgeplündert. bis eines tages auch hier in arba minch das tal so kahl ist wie in den meisten teilen äthiopiens, durch die wir gefahren sind. dann werden dort höchstens ein paar eukalyptusbäume stehen, die schön schnell wachsen, aber die böden entwässern und auslaugen.

auf dem rückweg durchqueren wir eine riesige lichtung, die von kühen und ziegen halob kahl gefressen worden ist. die blanke rote erde lugt zwischen weit auseinander stehenden hohen grasbüscheln hervor. die üblichen wolkenbrüche werden sie eines tages in die seen gespült haben. -nbo


Stille Nacht, heilige Nacht
Arba Minch, 24.12.2004

Nach unserem Weihnachtsspaziergang quer durch das Rift Valley machen wir es uns nach anstrengendem, 8-stündigen Fussmarsch durch sumpfigen Dschungel und brüllheissem Aufstieg des 400m hohen Hügels glücklich und erschöpft mit einem Bier auf der Hotelterrasse gemütlich und schauen auf unsere vollbrachte Leistung zurück.

"May I get this chair?" frage ich einen Äthiopier am Nebentisch. "Ja, der ist frei", antwortet dieser mit gerolltem 'R'. "Oh, Sie sprechen deutsch?" "Ja, ein wenig", schmunzelt er. "Ich wohne seit 20 Jahren in Deutschland, im Siegerland." "Mensch, das is ja'n Ding. Kennen Sie Müsen?" "Ja sicher, ich wohne in Kreuztal." "Achwas! Meine Schwester wohnt mit ihrer Familie in Hilchenbach." "Ja, das kenne ich, ist nur 10 Kilometer von uns entfernt, Zufälle gibt's!" Sein Sohn Daniel kommt dazu, ein knorke Typ, 14 Jahre, Wuschelkopf, aber wir müssen dringend duschen.

Als wir nach einer dreiviertel Stunde auf die Terrasse zurück kommen, erwarten uns die Beiden schon am gedeckten Tisch, mit Blumen und brennender Kerze. "Das war Daniels Idee" sagt Bezabeh stolz. "Ich möchte Sie heute abend einladen, hier in meinem Land, weil ich den Deutschen etwas zurückgeben möchte." Wir sind platt und gerührt von so viel Herzlichkeit.

Er fängt an zu erzählen, von seiner Anfangszeit in Deutschland. 3 Monate nur Pommes und Currywurst, weil er nicht wusste, wie er etwas anderes bestellen sollte. Heute ist er hier in Arba Minch, um nach seinem Schulprojekt zu schauen, das er mit privaten Spendengeldern hochgezogen hat. "Klein, aber fein", sagt er. "Wir ermöglichen Kindern, die ihre Eltern durch AIDS verloren haben, eine Schulausbildung. Denn das ist die Voraussetzung für ein besseres Leben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir mit meiner Schwester damals einen Bleistift teilen musste. Ich weiss, woran es hier mangelt."

Diesmal hatte er neben T-Shirts der Sparkasse Siegen zwölf Laptops im Gepäck, sein ganzer Stolz. Alles finanziert mit privaten Spenden. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, um dieses Schulprojekt zu besuchen. Wir reden und reden und unterdessen hat sich der Himmel mit drohend schwarzen Wolken zugezogen. Es blitzt und donnert jetzt und schüttet wie aus Eimern. Wir sitzen mitten im Gewitter unter der überdachten Terrasse, durch das Rift Valley schiessen schwefelig-silbrige Blitze, die das ganze Tal erleuchten, eine gewaltige Szenerie.

Während unserer angeregten Unterhaltung ziehen wir gemeinsam über die NGOs her und bekommen gar nicht mit, dass sich das Unwetter mittlerweile verzogen hat. Zum Schluss werden wir noch überhäuft mit Segen und guten Wünschen und fühlen uns zu Heilig Abend wieder einmal sehr willkommen in der Ferne. Kann es Zufall sein, dass wir dieses liebenswerte Vater-Sohn Gespann ausgerechnet heute getroffen haben? nach Diktat verreist -dwo


small is beautiful
arba minch, 25.12.2004





bezabeh, unser weihnachtsmann gestern und eine wahre seele von mensch, zeigt uns mittags sein schulprojekt. von den spenden aus dem siegerland, wo er seit den achtigern lebt, hat er gebrauchte laptops, PCs, drucker und scanner organisiert und nach arba minch gebracht. zusammen mit einigen verwandten und bekannten hat er dort das private omo teachers training institute (omo TTI) gegründet. "ich habe allen auf unserer sitzung heute morgen noch mal klar gemacht, dass das hier kein profitunternehmen ist", erzählt er uns.

für ihn ist es echte hilfe zur selbsthilfe, vorbei an NGOs und internationalen grossprojekten, in denen das geld zu oft versickert. am omo TTI werden 300 grundschullehrer ausgebildet. zehn monate dauert das programm, das in zwei etagen eines versicherungsgebäudes in der oberstadt von arba minch stattfindet. ein lehreranwärter benötigt für diese zeit samt miete und essen 480 euro. was für eine lächerliche summe für uns, die wir zuhause womöglich an einem langen wochenende in einer europäischen grossstadt auf den kopf hauen.

bezabeh ist äthiopier und siegerländer zugleich. dass ausländer hier in äthiopien manchmal "sonderpreise" aufgedrückt bekommen, beschämt ihn, vor allem, wenn es seine freunde sind. über die wasserversorgung in arba minch gerät er richtig in rage. obwohl es manchmal schüttet und die stadt 40 natürliche quellen hat, gibt es manchmal jeden zweiten tag kein wasser. von den zwei pumpen des wasserwerks, die vor 20 jahren aus deutschland kamen, funktioniert nur noch eine richtig.

bezabehs nächstes projekt ist die errichtung einer modellgrundschule, an der die frischgebackenen lehrer des omo TTI das gelernt gleich umsetzen können. wenn er das zum laufen bringt, hat er mit seinen freunden ein modell für all die kommunen geschaffen, die die misswirtschaft in addis links liegen lässt. selber machen statt eloquent zu lamentieren oder neoliberalen effizienzträumen nachzuhängen. E.F. Schumacher, der schöpfer der "small is beautiful"-idee, hätte seine freude gehabt. -nbo


entschleunigung bis zum stillstand
konso, 26.12.2004




von der balkonveranda des st. mary hotels, des einzigen dreistöckigen hauses in konso, beobachte ich die zentrale kreuzung dieses bergortes. die äthiopische fahne flattert über der verkehrsinsel im wind. in der morgendlichen sonne werfen menschen und kühe noch lange schatten über die rote schotterstrasse. alles scheint scheint wie in zeitlupe abzulaufen. niemand eilt irgendwohin.

nur ein paar kinder rennen kurz hinter einem jeep her. spätestens mit 13 werden sie sich das abgewöhnt haben. danach werden sie nur noch schlendern wie alle erwachsenen männer hier. die strasse rauf und wieder runter, einmal um die verkehrsinsel, um dann für eine halbe stunde auf der mauer der einzigen tankstelle von konso zu sitzen. um zu warten.

aber vielleicht ist schon "warten" ein falsches wort, ein westliches wort. in konso wird heute, an einem sonntag, nichts passieren. der bus aus arba minch ist schon angekommen, der aus jinka wird gleich da sein, und das war's dann. mehr busse kommen nicht. ein paar faranji fahren in der jeep-kolonne einer organisierten tour in den hof gegenüber. nur ein paar frauen ackern schwer und schleppen tiefgebückt riesige brennholzbündel auf dem rücken über die kreuzung. die männer schaukeln lieber ihre eier - eine rollenverteilung wie in vielen (dritt)weltgegenden.

an diesem leben prallen sämtliche konzepte der westlichen moderne ab. "effizienz", "produktivität", das lässt sich wahrscheinlich in der konso-sprache nur umständlich umschreiben. alles ist bricolage, improvisation, reine gegenwart, aber ohne jede romantik oder erleuchtung, nein, ganz schier. da ist nichts cooles, nicht faszinierendes dran. eine entschleunigung, die im stillstand endet. nicht das, was sich der von burnout bedrohte westler unter einer lektion "entschleunigung" vorstellt. es gibt nichts zu lernen. alles, was sich da unten abspielt, ist offensichtlich und belanglos. für den westler gibt es keinen weg, der dort unten auf die kreuzung führt. er wird dort nie ankommen können. völlig ausgeschlossen. -nbo


in anti-äthiopien
konso, 26.12.2004





mit einem isuzu-LKW fahren wir von konso in eins der umliegenden bergdörfer. äthiopien ist hier längst zünde. die menschen sprechen nicht mehr amharisch, sondern konso. wie vogelnester thronen diese dörfer auf 1500 meter hohen gipfeln.
was wir dort finden, ist eine überraschung: eine fast mittelalterliche stadt, machekie. von engen steinmauern eingefasste gassen ziehen sich zwischen familiengrundstücken mit strohlehmhütten dahin, öffnen sich zu grossen plätzen. 5000 menschen leben hier auf engstem raum, davon allein 1000 kinder im grundschulalter und jünger. wir sind attraktion, sie folgen uns schnatternd und fragend auf schritt und tritt.

dinote, unser guide, erzählt uns, dass noch vor einigen jahren die menschen weggerannt sind , als er erste touristen hierher brachte. er musste die einwohner geradezu anbetteln, für ein foto näherzukommen. die leute hier haben schnell begriffen, dass dabei etwas zu holen ist. heute recken sich unzählige hände nach einem birr-schein. frauen posieren mit einem baby an der brust, einer wollspindel in aktion.

alle 18 jahre errichten die machekianer einen neuen generationspfahl auf ihren plätzen. daran machen sie ihre zeitrechnung fest. wie alt einer genau ist, wissen sie nicht, nur ob einer vor oder nach dem aufstellen eines pfahls geboren wurde. die machekianer sind aber vor allem in einer hinsicht bemerkenswert. sie sind die einzigen in ostafrika, die seit jahrhunderten eine landwirtschaft auf befestigten terrassen betreiben. dadurch haben sie verhindert, dass an den berghängen der boden durch erosion abgetragen wird.

die gesellschaftsordnung ist noch strikt. junge männer müssen zwischen ihrem zwölften geburtstag und der heirat in gemeinschaftshäusern wohnen. sex vor der ehe ist verboten. und wo sollte er auch stattfinden, in dem engen dorf bleibt nichts unbemerkt, kennt jeder jeden.

ich frage mich, wovon die jungen, die auf uns einreden, träumen. "willst du hier bleiben oder nach addis gehen, wenn du gross bist?" frage ich einen, aber er schaut mich nur verständnislos an. wer weiss, was passiert, wenn einer hier die satellitenschüssel mitbringt.

auch im weiter entfernten omo valley ist die zeit - noch - stehengeblieben, wie uns kapo kansa, unser guide in arba minch, erzählt hat. leo, ein sehr netter holländer, der vorhin in konso eingetroffen ist und mit uns die tour macht, berichtet von einem erlebnis auf dem markt in jinka. dort habe er eine frau in stammestracht fotografiert und das foto mit einem stück seife bezahlen müssen. die frau aber habe die seife angeschaut wie einen ausserirdischen gegenstand, als wisse sie nicht, was sie damit machen solle.

südwestäthiopien ist ein flickenteppich von stämmen (und sprachen), die mit der moderne bisher nur über kameraobjektive von touristen, alkohol und birr-geldscheine in berührung gekommen sind. die äthiopier, also die tonangebenden stämme der amharer (20 mio), oromier (16 mio) und tigrinier (5 mio) aus dem norden, empfinden sie ebenso als kolonialherren wie diese früher die briten oder italiener. für sie ist die äthiopische nation ein sinnloses konstrukt. -nbo


durchs rift valley
27.12.2004





ich bin glücklich wie ein kind, dass stundenlang in einem spielzeuglaster umhergefahren wird. fühle mich zurückversetzt in jene zeit vor 30 jahren, als wir aus dem ruhrgebiet nach hessen zogen und ich zwischen kisten, teppichrollen und anderem kram rumtollte. so ähnlich sieht es auch auf der ladefläche des trucks aus, der drei stunden durchs rift valley braust. mangokisten, chatsäcke, autoreifen, kartoffelsäcke, darauf und dazwischen unglaublich viele menschen...

der heisse fahrtwind bläst mir ins gesicht, täler öffnen sich zu weiter savanne, gewaltige bergrücken nähern sich und verschwinden wieder, während die ausladenden afrikanischen bäume vorbeifliegen. da, drei dik-diks, hasengrosse antilopen, überqueren die strasse. eine pavianfamilie. wir halten in einem ausgetrockneten dorf. eine dicke frau verkauft von unserem laster herunter bündelweise chat, diese wachmacherblätter. arme recken sich, birr-scheine werden über den wagenrand gereicht, aufgeregte gesichter, aufgebrachte stimmen, das wöchentliche dope ist da.

dann fahren wir weiter und lassen eine rote staubfahne zurück. termitenhügel säumen die schnurgerade piste wie insektenwolkenkratzer. ein paar männer tauchen am horizont auf, einige rufe, wir halten. alle fünf haben ein gewehr umgehängt, einer eine kalaschnikow. aber sie haben nichts übles im sinn. auch sie warten nur auf ihre chatration, die sie für die nächsten stunden high machen wird. der einzige kick, den diese leere landschaft hergibt.

wir lassen die knarrenträger und das tal hinter uns, der truck quält sich jetzt die berge hinauf, die bäume stehen dichter, alles ist saftig grün. irgendwo knabbern kamele an zweigen. "you" sagt der junge bursche mir gegenüber, "photo?" ich schüttele den kopf. diese bilder kann man gar nicht alle festhalten. es sind zu viele. grossartiger als kino. -nbo


Ein Schulaufsatz
28.12.2004

Heute sind wir busgefahren, von Äthiopien nach Kenia. Wir haben viele Tiere gesehen. Zwei Dik-Diks und eine Antilope und einen grossen Leoparden. Alle tot. Plattgefahren auf dem Trans-Afrika Highway. Wie schade. nach Diktat verreist -dwo


endlich in kenia
moyale, 28.12.2004

um ein uhr liegt äthiopien hinter uns. mit leo gehen wir grinsend unter dem schlagbaum am kenianischen grenzposten durch. der immigration officer wickelt alles schnell ab. unsere 20 euro wechselgeld für die visa gibt er uns in shilling zurück. weil er es nicht passend hat, 80 shilling zuviel. "you're my brother", lautet seine begründung. wann hat man so etwas je an einer grenze erlebt?

in moyale/kenial wird die selbe sprache wie in moyale/äthiopien gesprochen, borana. aber irgendwie ist der ort anders. noch schlichter, mehr moslems, sogar verschleierte frauen. dafür sind die ladenfronten geradezu ordentlich und knallbunt bemalt. viel aufgeräumter als äthiopische geschäfte. die strassen sind nicht asphaltiert, nur ausgewaschene flussbetten, die hotels löcher, aber leute lassen einen zum ersten mal seit zwei wochen in ruhe. keine bettelnden kinder, kein permanentes "you"- und "mister"-geflüster.

Dafür gibt es kein bier mehr auf der hauptstrasse. der islam regiert wieder, mit cola und fanta. so eine scheisse, denn leo, woldo und ich haben einen höllendurst. dann finden wir immerhin zwei chatkauende burschen, die uns durch die brüllhitze zu einem bier bringen können - in die "prison canteen" neben dem knast. in der gartenbar gilt das islamische nüchternheitsgebot gottseidank noch nicht. unsere beiden schatten setzen sich dazu und stopfen sich unaufhörlich chatblätter in die dicken backen. "it makes you happy", sagen sie und nehmen einen schluck bier.

auch später, als wir eine leicht freudlose ziege mit reis und tomaten in einem strassenrestaurant essen, kauen die jungen männer um uns herum nur stumpf chat. einer starrt uns die ganze zeit einfach an. eine attraktion. im müll der strasse stöbert ein esel. im radio überlagern sich zwei nachrichtensender. "...30.000 dead...", mehr ist nicht zu verstehen. meine begeisterung, in kenia angekommen zu sein, ist verflogen. -nbo


master & servant
moyale, 28.12.2004

langsam und schleichend wirst du wieder zum weissen kolonialherren. redest auf eine nachtkappe in einem strassenrestaurant ein, was du essen möchtest. er nickt, behält kein wort, und innerlich rollst du schon wieder mit den augen. oder lachst in dich hinein. erklärst dem typen im hotel, dass das zimmer nicht sauber ist, dass die vollmundig versprochene dusche nur ein rinnsal ist.

leo, unser holländischer reisecompanero, macht den nachtkappen dieser welt mit subtilem und pädagogischem witz beine. plötzlich laufen sie, versprechen alles in ordnung zu bringen, weil er in aussicht stellt, über den preis reden zu wollen. wir fragen im medina hotel in moyale nach handtüchern, und ein paar minuten später kommt einer mit einem einzigen handtuch. für uns drei. erklärt leo, dass gerade kein weiteres da sei, aber morgen bestimmt. aber morgen sind wir schon in marsabit.

"can you forgive me?" fragt der hotelscherge leo. was für ein satz. das muss man sich mal überlegen. "well, I have to think about it", antwortet er trocken, und wir brechen in lachen aus, als der handtuchüberbringer wieder abgezogen ist. man redet am ende in einem tonfall mit den leuten, als ob sie nicht alle tassen im schrank hätten. das ist schon schlimm genug.

noch schlimmer ist, dass wir aufgehört haben, die generation der 20-, 25-jährigen überhaupt ernst zu nehmen. sonne, schmutz und anstrengung vernebeln dir zuweilen den verstand, und zuletzt ziehst du dich hilflos in die rolle dessen, der das geld für alles hat, zurück. lässt dich in genau diese rolle hineindrängen, die dir die einheimischen ohnehin wegen deiner hautfarbe zugeschrieben haben. wir, die seltsamen "faranji" mit den rucksäcken voller geld, das wir in europa von den bäumen gepflückt haben. wie kommt man da wieder raus? -nbo


afrikanische Logik
marsabit, 29.12.2004

als wir morgens um sieben an dem platz in moyale ankommen, wo der bus nach marsabit abfahren soll, steht da nichts. der bus sei noch in marsabit. "mechanical breakdown", lautet die begründung. dann müsst ihr eben morgen fahren, meinen die leute am fahrkartenschalter der busgesellschaft. bloss das nicht. keine stunde länger in diesem grenzkaff, in dem es bier nur in einer "prison canteen" gibt.

plötzlich ist da ein jeep, und ganz schnell eine menschentraube. einer der busleute winkt uns herbei, er hat drei plätze für uns organisiert (natürlich gegen ein kleines trinkgeld). als leo, unser reisecompanero, beim einladen bittet, doch eine plastikplane über die dieselöllache im kofferraum zu legen, wird er übel angeblafft. vom fahrer, wie sich herausstellt. und schon ist die atmosphäre im wagen vergiftet, den wir mit drei kenianerinnen teilen. unser fahrer ist dermassen übellaunig, aber gottlob haben wir um zwölf bereits die halbe strecke und die meisten schlaglöcher hinter uns.

um viertel vor eins hält unser fahrer plötzlich in einer ebene, die mit schwarzen lavabrocken übersät ist. die sonne brennt erbarmungslos, es ist unglaublich. der fahrer öffnet die motorhaube, fummelt an irgendwas im motor herum und macht ein langes gesicht. wir steigen aus. was ist los? "der motor ist zu heiss", sagt er in gebrochenem englisch. mehr nicht. dann holt er einen wasserkanister und beginnt, den trockengefallenen kühler aufzufüllen. das wasser rauscht durch und pladdert unten wieder raus auf die piste.

wir schauen den motor näher an. alles ist irgendwie geflickt, aus dem zylinderblock quillt durch eine ritze überhitztes öl. da stehen wir also. es geht nicht weiter. unser fahrer setzt sich in den staub und starrt in die ferne. als ein truck vorbeikommt, macht er keinerlei anstalten, diesen um hilfe anzuhalten. schliesslich wäscht er sich die füsse und betet auf einem tuch. die richtung von mekka trifft er nicht ganz, aber es ist auch heiss. eine der kenianischen frauen betet ebenfalls.

dann passiert wieder lange nichts. woldo verfällt in die afrikanische starre der ereignislosigkeit, die ryszard kapuscinski in "afrikanisches fieber" so schön beschrieben hat. auf der rückklappe des jeeps, im schneidersitz mit geschlossenen augen, stoffwechselt sie im schatten der klappe vor sich hin.

nach zwei stunden kommt ein weiterer truck und hält. der fahrer hat freundlicherweise ahnung, denn es ist ein überlandtruck für traveller (allerdings ohne tour). in zwei minuten hat er das problem entdeckt. ein schlauch vom kühler zum motor hatte sich gelöst, weil er nur lose aufgesteckt war - ohne flansch natürlich. uns wird klar, dass unser fahrer keinen schimmer von diesem wagen hat, obwohl er die strecke jeden tag hin und zurück fährt. der jeep wird gestartet, der truck entfernt sich richtung moyale und wir fahren weiter.

nach einer halben stunde bitten wir den fahrer, noch mal das kühlerwasser zu kontrollieren. das tut er und würgt dabei den motor ab. der danach nicht mehr anspringt. kein wunder, da einer der batteriekontakte lose herumschlackert, nur mit einer badelatsche - kein witz - festgeklemmt. mit seinem einzigen werkzeug, einer zange, fummelt er vergeblich an dem kontakt herum. idiotisch. wir müssen den wagen anschieben, damit er anspringt.

von da an hält der fahrer alle halbe stunde, um seinen kühler mit wasser zu besprengen. drei kilometer vor marsabit, unserem ziel, bleibt er dann endgültig stehen. er wolle seinen motor nicht riskieren. endstation? wir schwanken zwischen sarkastischen lachanfällen und beschimpfungen, und unser fahrer verflucht uns, weil wir seine ganze blödheit vor den frauen blossstellen. der typ fährt tagein, taugaus seinen jeep ein stück weiter dem exitus entgegen, und plötzlich packt ihn das risikobewusstsein? der wagen ist nie im leben je gewartet worden, seit er ihn fährt (hat 370.000 kilometer runter). "that's africa", beruhigt uns eine der kenianerinnen, als wir in den sonnenuntergang, so kurz vorm ziel, starren. "take it easy." -nbo


Return of the Dicke Taube
Marsabit, 29.12.2004

Come to where the Mullah is. Come to Muslim Country. Da sind wir wieder, im Land der Freudlosen. Direkt hinter der kenianischen Grenze, im Grenzort Moyale geht es wieder los: es gibt kein Bier mehr, geschweige denn anderen Alkohol. Nur noch Limo, übrzuckerten Tee und Kaffe aus Tüten. Der internationale Vertrieb von Coca Cola hat ganze Dienste geleistet, in jedem noch so abgelegenen Kaff gibt's Coke oder Fanta.

Wir können sie ärgern, indem wir ihnen erklären, dass das Zeug aus Amerika kommt, aus dem Land von George W. Bush. Keiner kann verstehen, dass man Bier auch wegen des Geschmacks trinkt und nicht nur, um sich damit zu besaufen.

Ab hier ist's vorbei  mit den feingliedrigen schlanken Naturschönheiten wie im Sudan oder Nordäthiopien. Frau ist wieder bäuerlich plump und unelegant, trägt Schneidezähne aus Weissgold  und verhüllt ihren ungeahnten Charme unter undurchsichtigen Tüchern, auch diese mit Metallfäden durchzogen.

Mann sitzt dagegen stumpf in der Ecke, kaut Miraa, die kenianische Variante des äthiopischen Chat und glotzt nur scheel. Bekommt er doch mal die Zähne auseinader, versteht man kein Wort, weil er das Zeug als einen dicken, kleingekauten Klumpen in der Backe hat. Vielleicht auch besser so, denn "what's your name" und "where you come from" haben wir wahrlich schon zur Genüge gehört. nach Diktat verreist -dwo


baustelle...
marsabit, 30.12.2004

ich stehe hier in kenias wildem norden im postamt von marsabit an einem von vier internet-terminals, die sich eine einzige modemverbindung teilen. was ihr hier unten seht, ist der versuch, schon mal ein paar einträge aus der letzten zeit anzulegen. das dauert pro eintrag etwa 6 minuten! aufschreiben werden wir alles in nairobi, der digitalsten stadt ostafrikas, die wir am 7. januar erreichen werden. bis dahin werden wir an einer organisierten safari teilnehmen (habt ihr ganz richtig gelesen). morgen nachmittag um drei geht's hier in marsabit los. euch allen einen guten rutsch!!! -nbo


snapshot, aber was für einer
marsabit, 30.12.2004





auf dem weg zum postamt in diesem muffigen kaff komme ich an einem ulkigen laden vorbei. "best fish'n'chips, pudding around" steht da in weissen lettern auf der blauen hauswand. pudding, ja, was die engländer hier so zurückgelassen haben. ich hole die kamera aus der hosentasche und schau durch den sucher.

mit einem mal hebt wildes geschrei an. "stop", "no photo" prasselt es von allen seiten auf mich ein. ich setz die kamera ab, da ist doch niemand, kein mensch vor der linse. rechts neben dem laden sitzt ein mann auf der veranda und brüllt besonders laut herüber. "warum willst du ein foto machen?" ich nehme keine notiz von ihm, bin ich dem kerl etwa rechenschaft schuldig?

doch er gibt keine ruhe. "das ist mein besitz. das geht nicht, ohne vorher zu fragen." wie? ich gehe zu ihm hin. "warum willst du ein photo von meinem laden machen?" fragt er schon wieder. "als erinnerung", antworte ich, "mir gefällt die beschriftung des ladens." "ist das auch nicht für business?" setzt er misstrauisch nach.

ich bin verblüfft. was meint er denn damit? "nein, nur für mich, ich bin tourist." er entspannt sich immer noch nicht. "woher kommst du? bist du amerikaner oder engländer?" "nein, ich komme aus deutschland." "OK", grummelt er und gibt mir dann die erlaubnis, seinen laden zu fotografieren. und sagt: "britain is a very bad country." -nbo


flucht im 4WD
marsabit, 31.12.2004

um drei uhr nachmittags warten wir am hauptplatz von marsabit auf den jeep von gametrackers, unserer safari-agentur. zum ersten mal haben wir eine solche tour gebucht, denn den turkana-see auf eigene faust zu erreichen, ist nur etwas für ganz hartgesottene.

wie diesen deutschen, mit dem ich kurz in der kenya lodge quatsche. er war mir bereits gestern in der bank aufgefallen, in seinem langen indischen anzug mit der überlangen kurta, mit seinem bart und der riesenrastawollmütze. seit 1993 ist er aus deutschland weg, lebt die meiste zeit in indien, kommt nur hin und wieder mal zurück und reist viel durch die weltgeschichte. jetzt wartet er auf einen truck an den turkana-see.

es ist einer dieser augenblicke, in denen wir mit unserer hamburg-kapstadt-route die totalen durchschnittsreisenden in dieser weltgegend sind. es gibt immer einen, der viel, viel verrückter drauf ist und wirklich auf die harte tour die welt erkundet.

dann ist der jeep da, woldo und ich steigen ein, laden leo, unseren reisecompanero, und das gepäck ein. eine halbe stunde später sind wir im marsabit national park und bauen inmitten des dschungels mit drei weiteren safarikumpanen (alan aus neuseeland, vali aus australien und oliver aus münchen) unsere zelte auf.

nur zwei kilometer vom zentrum von marsabit town entfernt, und doch liegen welten dazwischen. schlagartig entspannt sich woldos gesicht, und das alte strahlen, das afrikanische fieber, leuchtet wieder in ihren augen, das nervende äthiopier und muffige kenianer in den letzten tagen überschattet hatten.

jetzt sind wir also auf einer safari, diesem relikt kolonialen reisens. aber schon kurze zeit später, als wir durch den feuchtgrünen wald noch einmal zu den kraterseen fahren, elefanten und wasserbüffel sehen, ist mein letztes unbehagen verflogen. hier können wir wieder zur ruhe kommen. das grenzgebiet hat woldo, leo und mich geschafft. mit goodwill allein kann man diesem ansturm von glücksrittern, nachtkappen und durcheinander nicht standhalten. wir fliehen in die afrikanische natur, vor dem heranschleichenden zynismus und unserer eigenen hilflosigkeit. -nbo


verbranntes niemandsland
am turkana-see, 2./3.1.2005





du sitzt am ufer eines riesigen sees in einem gemütlichen korbsofa, die sonne scheint, der horizont ist weit. klingt wie eine afrikanische postkartenidylle. doch es gibt kein kühles bier, nur warmes mineralwasser, und ein heisser wind schlägt dir pausenlos ins gesicht. du schwitzt dumpf vor dich hin. der see ist kühl, aber voller krokodile. kein baum weit und breit, kein boot auf dem see, am horizont türmen sich nur graue, unheimliche berge auf.

das ist der turkana-see im rift valley in nordwestkenia (bis 1975 als rudolfsee bekannt). ein verbranntes niemandsland, in dem einige menschen in trostlosen dörfern das überleben meistern. das seewasser ist zu salzig, als dass man damit auch nur einen tomatenstrauch, eine gurkenstaude wässern könnte. die menschen leben in hütten, die wie fragile, übergrosse graspillen am seeufer stehen.

auf einer trockenen landzunge fristet eine der letzten beiden elmolo-gemeinden ihr dasein, ein stamm, von dem nur noch 200, 300 angehörige übrig sind. ihre sprache ist bereits ausgestorben, heute sprechen sie turkana. kein baum, der in diesem dorf schatten spendet. zum frühstück gibt es in diesem dorf von fischern porridge, zum abendessen stockfisch mit brot. tag für tag. nur weihnachten habe es für das ganze dorf gemüse gegeben, sagt der junge mann, der uns herumführt. im unterschied zu den anderen stämmen der region, den gabra, turkana, rendile oder samburu, haben die elmolo keine kamele, von denen sie frisches blut abzapfen können, um damit ihren vitaminbedarf zu decken. manche kinder haben deshalb verkrüppelte füsse.

john lennon erklingt in meinem kopf. "he's a real nowhere-man, sitting in his nowhere-land, making all his nowhere-plans for nobody." hier ereignet sich nichts, hier führt keine strasse hin, hier enden die staubigen pisten. eine schule gibt es immerhin, aber der unterricht nach den weihnachtsferien kann noch nicht beginnen, weil der lehrer fehlt. wahrscheinlich sitzt er in north horr fest und wartet auf einen truck, der ein paar kisten bier und soda zum turkana-see bringt.

"das hier ist nicht kenia", sagt ein anderer mann in loyangalani, dem grössten dorf am ostufer des sees, dessen ende man nicht sehen kann. wie eine grosse, tote meeresbucht liegt er da, über die eine steife brise von den bergen herunterkommt. kenia, das ist nairobi, und das ist hier weit weg. eine einzige luxuslodge gibt es seltsamerweise in loyangalani, die einem deutschen gehört. "der trinkt den ganzen tag whiskey", sagen ein paar jungen grinsend. kann man ihm eigentlich nicht verdenken.

auf der suche nach einem KUEHLEN getränk statten wir ihm schliesslich einen besuch ab und finden ihn auf der terrasse. halb lallend, dabei hessisch klingend, erklärt er uns, die wenigen kühlen drinks, die noch übrig seien, müsse er für seine gäste aufsparen. seine zähne sind gelb wie die eines kamels, ein ekelhafter zeitgenosse, wir hauen schnell wieder ab.

dann trinken wir notgedrungen eine ziemlich warme cola in einem kleinen laden auf der hauptstrasse. die hitze nervt. immerhin versinkt die sonne schliesslich hinter den schwarzen vulkankegeln der südinsel des turkana-sees, und wieder ist ein tag im niemandsland rum. morgen werden die samburu, rendile, turkana und elmolo wieder ihre wenigen ziegen und kühe im harten, stachligen gras am see weiden lassen, dessen wasserspiegel seit jahrzehnten dramatisch sinkt. irgendwann wird nur eine pfütze übrig sein, und dann wird der turkana-see tolkiens mordor an faszinierender trostlosigkeit in nichts mehr nachstehen. -nbo


im rausch der weite
zwischen turkanasee und baragoi, 4./5.1.2005






ganz langsam quält sich der toyota landcruiser die geröllpiste vom ufer des turkana-sees herauf. da ist kein weg, nur noch zwei rillen im schotter. irgendwann bleibt er in den steinen stecken, die räder graben sich bei jedem druck aufs gaspedal noch tiefer ein. sami, unser koch, und ein junge geben dem wagen schliesslich den schubs, um wenigstens zurücksetzen zu können. dann prescht nikos, unser fahrer, den schotterhang hinauf, dass die steine fliegen, und wir stapfen hinterher.

eine stunde später haben wir den talkessel des sees hinter uns gelassen. eine turkanafamilie taucht aus den savannenbüschen am strassenrand auf, gestikuliert. ob wir wasser haben, fragen sie nikos. schüsseln und bottiche werden aus dem wassertank des jeeps aufgefüllt. die frauen tragen eine art irokesenhaarschnitt, ihre ohren sind mit grossen ringen behängt. genantes gelächter, als wir uns ein paar fotos von ihnen "stehlen". dann fahren wir weiter und sie ziehen ihres weges durch die ausgedörrte landschaft.

durch trockene bachbetten treibt nikos den wagen steile hänge hinauf, immer höher, bis wir auf einem pass ankommen. eine atemberaubende landschaft öffnet sich, endlose geschwungene savannenebenen, eingefasst von schroffen bergrücken. der fahrtwind ist heiss wie ein föhn. nach drei stunden erreichen wir schliesslich tuum, ein dorf am rande eines weiten, flachen tals.

vier junge samburus laden unser gepäck auf kamele, die wütend brüllen und lieber an den bäumen knabbern würden. dann setzen wir uns im gänsemarsch in bewegung und machen uns auf den weg zu unserem camp. die samburus hinter uns lachen und stimmen irgendwann einen rhythmischen sprechgesang an. der erste singt ein zeile, der zweite übernimmt, dann der dritte, der vierte.

so ziehen wir am fusse der berge durch die savanne. bis baragoi, zur nächsten "stadt", sind es 50 kilometer. leeres land. nicht ganz: manchmal kreuzt eine ziegenherde unseren weg, dann sind es einige kühe mit dem typisch afrikanischen fetthöcker. unsere samburu-kameltreiber sind ganz anders als ihre mürrrischen zeitgenossen in den traurigen dörfern am turkana-see. sie scheinen keine schlechte laune zu kennen. man hört sie nur reden und lachen im camp, während sami, der koch, auf dem feuer unser abendessen herbeizaubert.

von den hängen hinter dem camp klingen kuhglocken, ziegengemecker und vereinzelte rufe von nomadisierenden samburus durch den frühen abend. im unterschied zu den "städten" findet man hier auch keine beckham- oder adidas-T-shirts. die männer tragen karierte lungis, eine art gewickelte herrenröcke. an die gegenwart erinnern nur die digitaluhren, die unsere kameltreiber zwischen ihren traditionellen armreifen am handgelenk tragen. am nächsten morgen bringen sie uns zur strasse, hinten in der savanne, wo wir wieder auf nikos, unseren fahrer und guide, treffen. dann preschen wir wieder in die endlose weite, während die samburus mit ihren kamelen zurückbleiben, immer kleiner werden und schliesslich zwischen den bäumen verschwinden. -nbo


Von jedem ein Bisschen
Nairobi, 7.1.2005





Alles, was piekt und beissen kann, hat es auf mich abgesehen. Ganze Galaxien von Mückenstichen trage ich mit mir herum. Nicht nur die Mücken finden Gefallen an mir. Als ich mich am Lake Turkana auf die Matratze setze, wird mein nackiger Po von Ameisen innigst Willkommen geheissen, es brennt höllisch.

Unsere Safari-Truppe ist eine bunte Mischung von Abenteuerlustigen: Leo, der 45-jährige Architekt aus Holland, seit Konso/Äthiopien unser Reisegefährte.
Vali, 22 Jahre, Inder, seit seinem 11. Lebensjahr in Australien aufgewachsen, Mathematik- und IT-begeistert, dem sein Studienfach (internationale Finanzen) offensichtlich schwer zu schaffen macht, nach seinen malträtierten Fingernägeln und Nagelbetten zu urteilen. Mit Angehörigen in Nairobi und dem Rest der Welt, natürlich in den Geschäftsmetropolen, tüchtig, wie die Inder nun mal sind.
Und dann ist da der etwas spurlose Ingenieur Oliver aus München, 35 Jahre. Frage, konkrete Antwort, Punkt. Seit Oktober ist er im Overland-Truck unterwegs, war schon in Uganda und im Kongo.
Zu guter Letzt ist da Alan, der Zorbas aus Christchurch, Neuseeland. Nachdem seine Frau starb, hat er kurzerhand seine Firma verkauft und sich dem Reisen gewidmet. Kein Land, das der 74-jährige robuste Ruhepol der Reisegemeinde noch nicht gesehen hat. Es macht Spass, sich mit ihm zu unterhalten. Sein unterschwelliger Humor und wacher Verstand machen Mut für das Alter, seine Neugier und Offenheit wünscht man manchem 30-jährigen.

Mit diesem internationalen Potpourri verlegen wir unser gemeinsames Silvester vor auf elf Uhr. Sinnlos, bis zwölf Uhr abzuwarten, in Australien und Neuseeland ist es längst vorbei und in Deutschland erst in zwei Stunden soweit. Mit handwarmem Bier prosten wir uns am Lagerfeuer ins neue Jahr. Wie ich es vermisst habe, das Zelten in der Wildnis! Sollen sie doch kommen, die Kreuch- und Fleuchtiere, ich bin gewappnet! nach Diktat safari (kisuaheli für reisen) dwo


die grossstadt leuchtet
nairobi, 8.1.2005





ein tolles neues jahr wünschen wir euch. unseres hat gut begonnen, und nun sind wir nach einer phantastischen tour in nairobi angekommen. ja, diese stadt meint es gut mit uns. wir finden in einem buchladen unseren footprint-reiseführer wieder, der uns in äthiopien abhanden kam. es gibt supermärkte mit joghurt. cafes mit espresso. zeitungen. asphaltierte strassen, hochhäuser, bars, verkehr, schnelle internetverbindungen, ach eine richtige grossstadt. kein zweifel, nairobi ist die modernste stadt zwischen beirut und südafrika, mehr noch als kairo. wir geniessen es, wieder in der zivilisation zu sein.

unter afrikakennern ist nairobi als "nairobbery" verschrien. tatsächlich habe ich noch nie so viele wachmänner pro hektar gesehen wie in dieser stadt. westlands, die vorstadt, durch die wir gestern nachmittag in die stadt reingefahren sind, ist eine sammlung aus festungen, in denen villen stehen. die zukunft des kapitalismus, so sieht sie aus. aber im zentrum lässt es sich aushalten.

heute abend gehen wir in die "trattoria", in der salami, schinken, antipasti und parmesan in der theke liegen! ach, wir fühlen uns gerade sauwohl. und auch nicht zu alt (lest mal moschess bemerkung in den kommentaren, was seine nachbarn über uns denken). alan, der neuseeländer, der mit uns auf tour war, ein pfundskerl mit knochentrockenem witz, ist 74 - und fährt jedes jahr zweimal für mehrere monate in die so genannte dritte welt. da sehen doch moschess' nachbarn ganz schön alt aus. -nbo


nächste etappe:von nairobi nach nungwi (sansibar)
chronik

etappen
hamburg – istanbul
istanbul – dahab
dahab – wadi halfa
wadi halfa – addis
addis – nairobi
nairobi – nungwi
nungwi – kyela
kyela – tofo
tofo – kapstadt

gedanken
was ist reisen?
verschiedenes

länder
deutschland
polen
slowakei
ungarn
rumänien
türkei
syrien
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mosambik
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schnipsel

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