durch tansania

ab in die serengeti!
arusha, 13.1.2005
strassenstrich serengeti
13./14.1.2005
zwischen komödie und farce - ein geschäft mit wilden tieren
serengeti, 14./15.1.2005
darwin im krater
ngorongoro, 16.1.2005
clüdo in arusha
17.1.2005
die hure arusha
17.1.2005
afrikanische krankheit
arusha, 17.1.2005
im schwitzkasten
pangani, 18.1.2005
endlich am meer
pangani, 18./19.1.2005
mit der dhau nach sansibar
nungwi, 20.1.2005
bacardi-feeling, oder: urlaub vom reisen
nungwi, 22.1.2005
die hüfte von zimmer 12
nungwi, 22.1.2005
köpfchen in das wasser...
nungwi, 25.1.2005
sonnige tage in SwahiliWorld
nungwi, 26.1.2005
idylle hoch 10 tansania
nungwi, 27.1.2005
on the road again
stone town, 28.1.2005
malindi landungsbrücken
stone town, 29.1.2005
lustiges vespa-gestümper in sansibar
stone town, 30.1.2005
snapshot #5 (double snapshot)
stone town, 30.1.2005
ebony & ivory
daressalaam, 31.1.2005
im sambia-express
zwischen daressalaam und mbeya, 1.2.2005
no stop till kyela
kyela, 2.2.2005
coole sackgasse
kyela, 3.2.2005



ab in die serengeti!
arusha, 13.1.2005

kaum sind wir in tansania angekommen, da melden wir uns schon wieder ab. wir gehen tiere gucken, die big 5, im ngorongo-krater und in der serengeti. das ist ein absolutes muss, wenn man hier unten ist. wir werden euch berichten, ob die safariromantik noch existiert oder alles ein gut organisiertes business ist.


Strassenstrich Serengeti
13./14.1.2005





Die Kindheit des Masaijungen endet mit der Initiation. Er wird beschnitten und dieser schmerzhafte Eingriff mit weisser Gesichtsbemalung und schwarzer Kleidung dokumentiert. Dann darf er sich drei Monate nicht waschen, bevor er, wie seine männlichen Stammeskollegen, seinen Körper mit rotem Schurz und Schultertuch bedeckt. Die Frauen tragen blau.

Der Dorfälteste weist dem dekorierten Masaijungen einen Platz an der Strasse zu, wo er sich von nun an für vorbeifahrende Touristen in Pose zu werfen hat. Ein Stückchen weiter hat ein älterer Kollege Sitzdienst, er hat es besser getroffen als der neben ihm Stehende, der heute Speerschicht schieben muss. In unbequemer Haltung verrengt er seine Arme, um damit auf den Schultern seinen Speer zu balancieren.

Der Gartenmasai verharrt dagegen in der Hocke und streichelt den Boden. Und wenn ein Tourist auf die Idee kommen sollte, von diesem zugegebenermassen sehr hübschen Motiv etwa ein Foto schiessen zu wollen, wird er mit fünf Dollar zu Kasse gebeten.

Mich beschleicht das Gefühl, in ein riesiges Kostümspektakel geraten zu sein. Ausverkauf der Traditionen, Hauptsache die Knete stimmt. Der Westen hat mit seinen Touristenströmen bereits Einzug gehalten in diesen so ursprünglich scheinenden Winkel der Welt. Warum sonst stehen die Dörfer der Masai, ein Nomadenvolk, seit Jahren an den selben Stellen neben der Hauptroute vom Ngorongoro Krater in die Serengeti? Vor neurigen Blicken abgeschottet durch einen Bretterzaun. Zahlt man hingegen dreissig Dollar Eintritt, wird einem Einlass gewährt. Ein teures Open-air Museum, dem ich mich verweigere.

Kommt der Deko-Masai dann von seiner Strassenschicht nach Hause, wirft er wahrscheinlich erstmal seine lästige Arbeitsklamotte ab, schmeisst sich in T-Shirt und Boxershorts und holt sich ein eisgekühltes Bier aus dem Keller seiner Hightech-Hütte. Dann setzt er sich vor seinen Rechner um per email mit seinem Kollegen im Kaokoveld in Namibia zu kommunizieren, wo er seine nächste Saison zu absolvieren hat.

Einzig die Tiere in der Serengeti scheinen kein Interesse daran zu haben, mit einem Ticket per Flieger nach Übersee verfrachtet zu werden. Sie sind nicht kaueflich, entweder stehen sie im richtigen Moment oder eben nicht. Ob Dollar oder Euro, sie machen keinen Unterschied, Touristen schmecken alle gleich. nach Diktat verreist -dwo


zwischen komödie und farce - ein geschäft mit wilden tieren
serengeti, 14./15.1.2005





wer in arusha ankommt, will wilde tiere sehen. alle dort wissen das. serengeti und ngorongoro-krater sind das kapital der zweitgrössten stadt in tansania. nirgendwo auf der welt muss man so wenig tun, um die wahrzeichen afrikas zu präsentieren. das einzige problem ist: wie bekommt man die touristen in seinen wagen, wenn sich 200 safari-agenturen um sie balgen?

erste möglichkeit: versprich ihnen alles. zweite möglichkeit: verpack die tour in eine tolle hülle. die zweite klasse der safaris schläft in einem campingzelt, die erste in einem luxuszelt mit bettgestell oder gar in einer klimatisierten lodge. das ist aber auch der einzige nennenswerte unterschied, obwohl die erste klasse das zwei- bis vierfache bezahlt..

als wir an der olduvai-schlucht (wo die leakeys in den 30ern einige urmenschenschädel entdeckten) mittagspause machen, tummeln sich gut und gerne 15 safarigruppen an derselben picknickhütte. masauda, unser koch, gibt uns unsere lunchpakete. hühnchen, obst, einen muffin, ein saftpäckchen, brot, all das ist in einer tupperbox eingepackt. dabei macht er ein gesicht wie ein geprügelter hund. seit wir losgefahren sind, fragen wir uns, ob er eine lachmuskellähmung a la silvester stallone oder einen todesfall in der familie hat. aber sein handwerk versteht er, das essen ist gut.

eine safarigruppe der ersten klasse gesellt sich zu uns. jeder hat eine schicke pappbox mit dem logo der safari-agentur in der hand. das macht mich neugierig. vorsichtig lunze ich den khakigekleideten über die schulter. überraschung! in der pappbox ist exakt dasselbe drin wie in unserer tupperbox. immerhin wird dazu eine flasche rotwein rumgereicht.

dann schau ich mir all die wagen auf dem parkplatz an. fast alle sind toyota landcruiser. einige ganz teure agenturen wie abercrombie & kent packen ihre kunden in schlichte minibusse. als wir später am parkeingang der serengeti ankommen, türmen sich bereits die markenlunchboxen der ersten klasse zu müllhaufen. da lob ich mir die budget-tupperbox. dann brausen wir alle in unseren wagen durch die weite grasebene richtung camp oder lodge.

am nächsten morgen treffen wir uns alle wieder, denn es gibt in der serengeti keine wege erster oder zweite klasse. irgendjemand hat leoparden in einem baum gesichtet, und in windeseile spricht sich die neuigkeit zwischen den fahrern herum (unser entpuppt sich als besonders blind, er muss immer anderswo nachfragen). als wir am leopardenbaum ankommen, sind wir der fünfte jeep, zehn minuten später drängeln sich dort 23 wagen, um die meisterjäger der nacht zu sehen.

artikel 1 der serengeti: vor dem leoparden sind alle touristen gleich. es gibt keine erste reihe. so wiederholt sich das spiel tag für tag. wo löwen und andere raubtiere sind, bildet sich im nu ein jeepauflauf, den man kilometerweit sehen kann. nach einiger zeit erkennt man die gesichert wieder, die aus den dachluken der wagen herausschauen.

ein abenteuer entgeht der ersten klasse allerdings: die nächtliche geräuschkulisse rund ums zelt. mitten in der nacht weckt dich ein grunzen, ein grasrupfen, ein schnaufen, so klar, dass es nur wenige meter neben deinem kopfkissen sein kann. dann sind die büffel, elefanten und nilpferde ins camp gekommen und grasen zwischen den zelten.

zartbesaitete machen den rest der nacht kein auge mehr zu. andere drehen sich zufrieden im schlafsack um, weil sie für augenblicke teil der wildnis geworden sind, fernab der behüteten westlichen zivilisation. kein grund zur panik, denn wenn es etwas gibt, worum sich die tiere der serengeti einen dreck scheren, dann sind es diese seltsam riechenden touristen. -nbo


darwin im krater
ngorongoro, 16.1.2005





das "survival of the fittest" ist die wohl wichtigste wissenschaftliche entdeckung des 19. jahrhunderts und wird uns schon in der schule als das grundprinzip allen lebens eingetrichtert. fressen und gefressen werden. so richtig vorstellen kann man sich das als europäer aber nicht, der raubtiere nur aus dem zoo kennt. und so abstrakt macht es sich dann gut in all dem wirtschaftspolitischen gequatsche der gegenwart.

wenn es einen ort auf der welt gibt, wo einem die trostlosigkeit und brutalität dieses prinzips klar wird, ist es der ngorongoro-krater in nordwesttansania. tausende von tieren leben auf dem fast baumlosen boden dieser riesigen, millionen jahre alten caldera, die einen durchmesser von bestimmt zehn kilometern hat. pflanzenfresser, fleischfresser, ob mit hörnern oder ohne hörner, mit reisszähnen oder nur mit kauleisten - für kein tier gibt es hier eine möglichkeit, dem tod ein schnippchen zu schlagen. zebras stehen seite an seite, mit den köpfen in entgegengesetzte richtungen, um die kraterebene ganz im blick zu haben. gazellen stapfen hypernervös durchs gras, durch das der tod schleichen kann. die ganze existenz besteht nur aus fressen und auf der hut sein.

kein blick in die phantastischen wolkenformation über dem kraterrand, kein innehalten über die schönheit dieser landschaft, nur ein stumpfes sein bis zum exitus, der schon heute nacht, vielleicht auch erst morgen mittag in der prallen sonne kommen kann. der kraterrand pfercht alle zusammen zu einer gemeinschaft, aus der es kein entkommen gibt. in der es keinen fortschritt gibt, weil alle energie ins fressen und nicht-gefressen-werden fliesst. ich hatte zwar noch nie etwas für sozialdarwinistische argumente übrig. aber erst hier im krater wird mir klar, wie primitiv die zeitgenossen sind, die im "survival of the fittest" irgendeine inspiration für die probleme des menschlichen zusammenlebens sehen. soll darwin im krater bleiben, in der zivilisation hat er nichts zu suchen. -nbo


clüdo in arusha
17.1.2005

shit happens, und heute hat es uns erwischt. 200 dollar bargeld, die restlichen reiseschecks und mein handy sind perdu. gestohlen aus dem zimmer unseres ach so ehrenwerten hotels "spices & herbs" in arusha. kein aufgebrochenes türschloss, keine eingeschlagene fensterscheibe. der dieb kam mit dem schlüssel, während wir im ort unseren rückflug von kapstadt nach hamburg organisierten.

wir liegen im bett und können doch nicht einschlafen. wer könnte es gewesen sein? alle sind verdächtig. war es die frau an der rezeption, die schwört, den ganzen nachmittag bei den schlüsseln gewesen zu sein, die in einem körbchen an der bar liegen? ihre nonchalance, mit der sie unsere entdeckung aufnimmt, macht sie verdächtig.

war es die schüchterne putzfrau, der wir idiotischerweise gesagt hatten, sie möge heute bitte nicht putzen, weil wir nach der safari unseren kram im zimmer verstreut hätten? ihre schüchternheit macht sie verdächtig. könnte ja gespielt sein.

war es der hotelmanager, der uns allen ernstes erzählt, er habe den gast aus zimmer 2 verdächtigt und vorsorglich schon mal dessen gepäck durchsucht, aber da seien unsere sachen nicht drin gewesen? wenn das nicht verdächtig ist.

oder war es die hotelbesitzerin selbst, die unsere geschichte am abend mit augen, kalt wie stein, anhört? sie gehört zur upper class von arusha, spätestens seit sie das essen für das grosse bill-clinton-dinner vor einigen jahren hier in der stadt organisiert hat. auch sie ist verdächtig: kurz bevor nachmittags die polizei kommt, rauscht sie im jeep heran, eilt an die rezeption, um eine grosse tasche zu holen, und braust wieder davon, ohne uns, die opfer und ihre gäste, eines blickes zu würdigen. erst letzte woche ist ein angesehener geschäftsmann aus arusha als kopf einer grossen, hier ansässigen gang verhaftet worden.

vielleicht war es aber auch der ewig lächelnde und leicht unterbelichtete kellner, in dessen zimmer unser gepäck während der safari "in sicherheit" gewesen sein soll. zeit genug hatte er ja, um sich an den vorhängeschlössern unserer rucksäcke zu üben. verdächtig, einfach verdächtig. aber es ist wie früher, als wir als kinder "clüdo" gespielt haben. ich hab's nie geschafft, den täter zu überführen. gewonnen haben hier immer die anderen. -nbo


Die Hure Arusha
17.1.2005

Stolz hält sie ihre Nase in den Wind vom benachbarten Mount Meru. Arusha ist sich ihrer Wichtigkeit für Tansania allzu deutlich bewusst, hier starten alle Safaris in die Serengeti und Touren zum Kilimanjaro. Geradezu hochmütig kommt sie daherstolziert und gibt sich selbstsicher auf dem grossen Tourismusparkett.

Doch schaut man ihr unter den Rock, wird einem schlecht. Marodes Gekröse, zerfressene Innereien, es stinkt erbärmlich. In ihrem offenen Unterleib haben sie sich eingenistet, die Kanalratten und Scheisshausfliegen. Auf den Strassen ist man nach Einbruch der Dunkelheit ihr gefundenes Fressen, sogar Einheimische bevorzugen selbst für die kürzesten Strecken ein Taxi. Keiner vertraut keinem, jeder bezichtigt den Nächsten der eigenen Hinterhältigkeit.

Der Charme dieser Stadt ist längst auf der Strecke geblieben, Korruption und Kriminalität regieren den Alltag. Eines sollte die rotznasige kleine Cousine Nairobis allerdings noch lernen: wenn man bei den Grossen mitspielen will, muss man ihre Regeln beherrschen. Und wenn man mogelt, dann bitte so, dass es keiner merkt. Verwundert denke ich an Belinda und Jens, die hier demnächst ein halbes Jahr verbringen wollen. Sie sollten gezinkte Karten und mindestens ein Pokerface im Gepäck haben, toitoitoi. nach Diktat verreist -dwo


afrikanische krankheit
arusha, 17.1.2005

viele löwen, elefanten, gnus, zebras und sogar zwei nashörner liegen hinter uns. ja, serengeti und der ngorongoro-krater waren grandios. aber nur die natur. was wir in den letzten paar tagen an trostlosem miterlebt haben, reicht. das  afrikanische fieber wächst sich im moment zu einer ernst zu nehmenden krankheit aus. morgen brechen wir auf in richtung sansibar, von dort dann mehr. wir fühlen uns im moment echt ruhebedürftig.


Im Schwitzkasten
Pangani, 18.1.2005





Der überschwenglich angepriesene Full Luxury Bus inklusive Videomonitor entpuppt sich mal wieder als das übliche afrikanische Klappergestell: ein ausrangierter Volvo oder Isuzu, der irgendwo ausserhalb Afrikas gerade noch vor der Schrottpresse geretten werden konnte. Die Sitze sind mit Plastikfolie überzogen, so dass man während der sechs Stunden dauernden Fahrt durch klammes subtropisches Klima auch ordendlich ins Schwitzen kommt.

Kurz vor der Abfahrt kriegt Niels ein Kind. Der Busfahrer drückt ihm ein anderthalbjähriges Mädchen auf den Schoss, dass bei seiner Mutter keinen Platz mehr gefunden hat, weil da schon seine dreijährige Schwester sitzt. Mit diesem zusätzlichen Schwitzkissen im Arm heizen wir mit halsbrecherischen 120 Sachen über die Landstrasse von Arusha nach Tanga an die Küste.

Während der gesamten Fahrt geben die beiden Krollenlöckchen auf den Schössen keinen einzigen Mucks von sich, kein Weinen, kein Gequengel, nichts. Wie kann das sein, frage ich mich. Sind sie wirklich so grundzufrieden? Oder sind sie vielleicht bereits von kleinauf durch das Getragenwerden im Hängetuch auf dem Rücken der Mutter, zur Bewegungslosigkeit verdammt, auf Ausharren konditioniert?

Wenn ich mich in den Reihen der Erwachsenen umschaue, scheint mir Letzteres gar nicht so unwahrscheinlich. Was werden diese beiden Mädchen in zwanzig Jahren wohl machen? Haben sie überhaupt überlebt, haben sie Aids, wie so viele Afrikanerinnen? Wo werden sie leben, in welchem Land? Was ist die afrikanische Zukunft?

In Tanga angekommen wartet dann bereits der Bus nach Pangani. Gleiches Modell, nur dreimal so voll. Es wird gestanden, voll bis zum letzten Quadratzentimeter. Wir werden reingeschoben und aufgefordert, weiter nach hinten durchzugehen. Aber wohin denn, es ist doch alles schon brechend voll? Das hält den Busfahrer allerdings nicht davon ab, noch zusätzlich jeden Wartenden am Strassenrand mitzunehmen, der Bus platzt aus allen Nähten.

Dann und wann huscht mal etwas warmer Fahrtwind durch die geöffneten Fenster, es ist brüllend heiss. Jeder schwitzt aus allen, ihm zur Verfügung stehenden Poren. Meine Nase zu tief in der strengen Achselhöhle des Haltsuchenden neben mir, hoffe ich inständig bei jedem Halten, dass diesmal doch bitte jemand aus- anstatt einsteigen möge.

Auf den klitschnassen Gesichtern neben, um und an mir sehe ich wachsende Ratlosigkeit. Auf den Platz- und Frischluftmangel hingewiesen, antwortet der Busfahrer bloss: " I know, but what can we do about it?" Ja, das ist eine gute Frage! Afrika, was meinst Du dazu? nach Diktat verreist -dwo


endlich am meer
pangani, 18./19.1.2005

als wir schwitzend wie die berserker aus dem rumpelbus von tanga nach pangani aussteigen, ist es schwülheiss. vorbei das angenehme sommerwetter des hochlands. aber da hinter den palmen, da ist das meer. der indische ozean, von dessen wüten wir erst tage später erfuhren, weil wir in nordkenia aus der welt waren. stürzen ein kühles bier hinunter, die friedliche bucht im blick.

nicht mehr viel los in der einst geschäftigen hafenstadt an der swahiliküste. heute ist die flussmündung des pangani river teilweise verlandet, und die schiffe fahren nach tanga, 50 kilometer weiter nördlich. der ort ist eines dieser heissen, verschlafenen nester, auf die levi-strauss' ausdruck "traurige tropen" perfekt passt.

ja, die flussmündung hat etwas von dieser beklommenheit aus joseph conrads "heart of darkness". hier ereignet sich nichts. alle, auch die einheimischen, schwitzen dumpf vor sich hin. dann und wann legt eine dhau nach sansibar ab. schlanke boote mit dreieckigen segeln, die schon seit jahrhunderten diesen teil des indischen ozeans befahren.

aber gerade dieses aus-der-welt-sein ist nach nairobi und arusha eine wohltat. die leute lächeln verhalten, und wenn wir ein paar wort kiswahili stammeln, strahlen sie sogar. niemand will einem etwas verkaufen. in der ortsdisco, der "pangadeco bar" hinter dem strand, dröhnt abends der reggä. so laut, dass wir uns mit mr. iddi und mr. sekibaha anschreien müssen.

iddi hat uns eine dhau-überfahrt nach sansibar vermittelt. draussen auf der strasse tänzeln ein paar panganier, die sich keinen drink leisten können. mr. sekibaha hat plötzlich eine philosophische anwandlung und erzählt von der notwendigkeit eines neuen weltbildes für das 21. jahrhundert, von einem schriftsteller namens bruno vogelmann, streift die deutsche kolonialgeschichte ("when they built the railway to the hinterland", ja er sagt wirklich hinterland), regt sich über die atombombe als fehlgriff der westlichen wissenschaft auf. der rest seiner gedanken geht in den reggäbeats verloren.

ich habe das gefühl, das gerade wieder eine etappe zünde geht. rift valley, wüsten, savannen liegen hinter uns. jetzt kommt die küste. -nbo


mit der dhau nach sansibar
nungwi, 20.1.2005









nachts um kurz vor drei klopft iddi, der "schiffsmakler" von pangani, an unsere zimmertür. wir schnappen unser gepäck und gehen runter zum fluss, durch halden von kokosnussschalen. in der dunkelheit wartet die dhau, die schon am abend vorher prallvoll mit früchten beladen worden ist. unsere passage nach sansibar.

wir klettern an bord, die hosenbeine werden nass, als wir durchs wasser waten. die milchstrasse leuchtet und eine einsame neonröhre hinter uns im ort. die crew schiebt das boot in den fluss und setzt das segel. kein lufthauch bläht den stoff.

langsam, ganz langsam treiben wir mit der ebbe aus der flussmündung in die bucht. keiner redet. es gibt nichts zu sagen. nur das rauschen von wellen, die in der ferne auf eine sandbank schlagen, ist zu hören. rechts über dem segel steht das kreuz des südens, hinter uns der grosse wagen. einer aus der crew schöpft wasser aus dem bootsrumpf.

zusammengekauert hocken wir mit leo achtern am ruder, auf dem letzten flecken, der nicht mit mangos, bananen und holzkohle beladen ist. vor fünfhundert jahren kann es nicht anders gewesen sein. irgendwann, später, beginnt sich der himmel vor uns aufzuhellen. wir sind höchstens fünf kilometer vorwärts gekommen. noch immer kein wind. woldo zeigt hinter sich ins meer, ja, ein delphin begleitet uns gemächlich. grauschwarz taucht sein körper aus den glatten fluten auf.

der anbrechende tag zaubert die wildesten wolkengebilde an den himmel, wie in alten gemälden von seeschlachten. ich sehe hasen, elefanten und riesen, die vorbeieilen. sansibar ist noch nicht in sicht. die seeleute wechseln sich mit dem wasserschöpfen ab.

eine erste leichte brise, wir nehmen fahrt auf. wechseln ein paar worte mit der crew, die kein englisch spricht, auf kiswahili. "kuna upepo kidogo", es gibt nicht viel wind. zustimmendes lachen. im morgenlicht tauchen weitere segel am horizont auf. eine grosse dhau auf dem weg von tanga nach stone town kreuzt dicht hinter uns. das meer ist tiefblau, alles ist perfekt, nur der kaffee fehlt.

einer aus der crew summt leise ein lied, die anderen dösen. die sonne steigt höher, erscheint über den wolken, der wind kommt und vergeht doch wieder. in der crew entspinnt sich plötzlich eine diskussion, lauter und immer lauter, unterbrochen von kurzen lachern. wer schreit, hat recht, auch hier. ich lausche dem angenehmen klang des kiswahili, schnappe ein paar zahlen auf, die ich wiedererkennen kann. dann verfallen alle wieder in schweigen und ergeben sich in die heraufziehende hitze.

ein schluck mineralwasser, eine mango, ein zigarette, das ist unser frühstück. doch dann, endlich, tauchen am horizont die ersten palmen von sansibar auf, und wind dazu, jetzt geht es voran, ein wenig gischt spritzt, die dhau schaukelt durch die langen, flachen wellentäler des indischen ozeans. der strand von nungwi kommt immer näher.

wir zahlen den rest unserer passage und nach neun stunden landet die dhau am korallenstrand. einigen touristen fallen in ihren beach-ressort-liegen die augen aus, kameras klicken, als wir da wie aus einem anderen zeitalter von bord ins türkise wasser springen. wir setzen uns in den sand und können es kaum glauben - wir sind in sansibar. währenddessen hat die crew das boot schon wieder zurück ins meer geschoben und nimmt kurs auf die kleine nachbarinsel tumbatu. wir hingegn sind mit in der bacardiwerbung angekommen. -nbo


bacardi-feeling, oder: urlaub vom reisen
nungwi, 22.1.2005





nach wochen im innern ostafrikas ist es jetzt erst mal genug mit all den reise-erfahrungen. am strand von nungwi auf unguja (in europa bekannt als sansibar, das in wirklichkeit der name einer ganzen inselgruppe ist) ist für die nächsten tage schwerstes abhängen angesagt, lesen, durchatmen, ein wenig nachdenken, kraft für die vierte etappe sammeln. ja, und wir müssen euch leider sagen, dass das wetter hier phantastisch, das wasser türkis ist, die fischgerichte grandios sind.


Die Hüfte von Zimmer 12
Nungwi, 22.1.2005

Abgestumpft wie eine Krankenschwester nach langjähriger Tätigkeit bringe auch ich langsam kein Mitgefühl mehr auf. Ich gucke mir die Leute hier an, diagnostiziere eine Mentalthrombose und lasse sie dann mitten in ihrem Touri-Blabla einfach stehen. Sollen sie doch lieber andere Gehörgänge fluten. Bei mir gibts gerade nichts mehr zu holen. Zum einen, weil wir ohnehin bereits mutwillig unserer Barschaft entledigt wurden, und zum anderen ist mein  Goodwill-Pensum mittlerweile erhebllich überschritten ist. Es haben sich unterwegs schon zu viele daran bedient. Jetzt wird erstmal an mich gedacht und zwar volles Programm. Sansibar, here I come. Tür zu, die Afrikakophonie draussen lassen und Feierabend! Gutenachtschwester. nach Dikatat verreist -dwo


Köpfchen in das Wasser...
Nungwi, 25.1.2005

Wir gehen schnorcheln und werden morgens wir mit einem Boot zum Atoll vor Mnemba Island gebracht. Diese Insel, ein Privat-Resort für Steinreiche, darf nur derjenige betreten, der pro Übernachtung 500 Dollar hinblättert. Alle durchschnittlich Begüterten dürfen allerdings vor ihrer Küste im seichten Wasser planschen.

Wir stürzen uns in die Fluten und finden uns wieder zwischen Myriaden von Fischen. Sie sind um, über und neben uns und kommen neugierig an uns heran. Ich fühle mich wie ein schwebendes Teilchen in einem Fisch-Mobilee. Unsere T-Shirts haben wir vorsorglich anbehalten, um einen Sonnenbrand auf dem Rücken zu vermeiden, die Pöter gucken allerdings ungeschützt aus dem Wasser, und das anderthalb Stunden lang.

Diese langanhaltende feuerrote Erinnerung auf unseren Sitzflächen spüren wir noch, als wir fünf Tage später auf der Fähre zum Festland sitzen, und wie! nach Diktat verreist -dwo


sonnige tage in SwahiliWorld
nungwi, 26.1.2005

der koch ist eingeschlafen. sein kopf liegt auf der tischkante, die bestickte kappe daneben. eben hat er noch in meinem economist geblättert. aber er ist schon wieder müde, vielleicht noch immer, es ist vormittag, noch hat niemand lunch bestellt. die restliche belegschaft des union beach ressorts döst im schatten zwischen den bäumen. draussen im meer sammeln frauen im seichten wasser der ebbe sardinen. ein fischerboot segelt in der ferne vorbei. frieden.

die idylle in nungwi ist perfekt und doch irgendwie verstörend. da ist zum beispiel dieses fitnessstudio eines italienischen edelressorts auf einem pier im meer, in dem übergewichtige europäer im angesicht des sonnenuntergangs auf laufbändern traben. masai rennen als strandwächter in ihren roten roben rum und haben ultracoole sonnenbrillen auf.

dazwischen fehlt etwas: etwas magisches, inspirierendes. die fischerboote am strand sind malerisch, ja, aber sie wirken wie eine dekoration, in der afrikanern nachempfundene roboter so tun, als ob sie fische fangen. nungwi ist so glatt wie "westworld", jener roboterbestückte ferienpark aus dem 70er-thriller mit yul brynner, in dem sich westler glückliche tage in einer 23-grad-welt kaufen können (das thermostat ist allerdings kaputt, es ist mindestens fünf grad zu heiss).

der reale nungwier ist anfang zwanzig und fischt höchstens noch nach guten deals mit touristen. morgens kommt er aus dem dorf in die kulisse der hütten und bungalows am strand und sagt ständig "karibu" (willkommen), aber es klingt wie "karibu, dollar". in seinen augen kann ich nichts entdecken ausser dem appetit auf das dollarland. das leben an der swahiliküste war gestern. er träumt davon, hip zu sein, abends mit den touristen in cholo's strandbar zu trinken. teil der ewigen party zu sein, für die die westler herkommen, weit weg von afrika, das irgendwo hinter dem meer, hinter dem horizont im westen liegt.

tag um tag vergeht, alle gleich schön und auch ein wenig belanglos, gedanken verebben am korallenriff. nachts heisst es "schöner träumen mit lariam" (dieser hammerchemikalie von einem malariamittel: ich lande in new york, um eine lederjacke zu kaufen, die ich schon habe, kann aber keine passenden schuhe finden...

morgens wache ich auf vom flapflap des ventilators und fühle mich seltsam benommen. draussen bahnt sich längst wieder die hitze der tropen an. ich bin grundlos beunruhigt in dieser perfekten SwahiliWorld, in der alle nur ihren spass haben wollen, die die welt vor mir verbirgt. auch die idylle nagt an mir, ich will endlich das afrika finden, das ryszard kapuscinski in "afrikanisches fieber" so grossartig beschrieb, das kurz im rift valley, im samburuland, aufschien und dann wieder verschwand. ich glaube, ich will hier wieder weg. -nbo


Idylle hoch 10 Tansania
Nungwi, 27.1.2005

Hier ist Dollar-Country und wenn überhaupt die Landeswährung akzeptiert wird, ist alles mindestens 10mal so teuer, wie auf dem Festland. Der alljährliche Urlaubstraum hat seinen Preis und das wissen die Sansibaris gut für sich zu nutzen. Die Insel hat sich kommplett dem Tourismus verschrieben, die Zukunft ist gesichert, dank TUi & Co. Die eigenen Traditionen wurden längst über Bord geworfen und dümpeln irgendwo im türkisblauen Wasser.

Fast wundert es mich, dass ich überhaupt nass werde, wenn ich ins Wasser gehe und nicht einfach nur ein Loch in der blauen Leinwand hinterlasse und mich am Set-Buffet wiederfinde neben verdutzen Beleuchtern und Bühenarbeitern. So gut, wie es die Natur mit dieser Insel gemeint hat, grenzt es schon an Unerträglichkeit. Kilometerlange feinste Sandstrände gesäumt mit Kokospalmen, türkisblauestes Wasser, ein vorgelagertes Riff. Verschwenderisch schön, zu schön für meinen Geschmack.

Wie bei einer Wackelpostkarte warte ich ständig darauf, dass das Blatt sich wendet und die Insel mir ihre getarnte Fratze zeigt. Trotz der übernatürlichen Schönheit kann ich mich hier nicht entspannen, zu gross ist mittlerweile das Misstrauen gegenüber den Einheimischen. Jeden Tag eine neue Horrorgeschicht von Diebstählen, Überfällen auf Touristen oder gefakten Trinkwasserflaschen. Die Inszenierung des Paradieses kann mich mal, ich will auf den Arm. nach Diktat verreist -dwo


on the road again
stone town, 28.1.2005

als wir heute morgen aufwachen, ist klar: die zeit in nungwi ist um. genug banana boat cocktails in willie's bar, genug dösende köche im union beach ressort. als wir zahlen, streiten wir noch kurz um zwei angeblich unbezahlte biere, die längst auf der abrechnung stehen, und freuen uns um so mehr, weiter zu ziehen. im staubig-schmuddeligen dorf hinter der strandkulisse steigen wir in ein dala-dala nach stone town. eine offene pritsche mit zwei notdürftig gepolsterten bänken. aber es gibt kühlenden fahrtwind, die einsteigenden dörfler grüssen uns mit einem "jambo" ohne dollar-gedanken, und als die palmen und mangobäume am strassenrand vorbeifliegen, fühlen wir uns "on the road again". SwahiliWorld fällt zurück, schön war's dort, keine frage, aber ein kraft-auftanken in einer zwischenwelt. -nbo


Malindi Landungsbrücken
Stone Town, 29.1.2005





Viele verwegene Geschichten spinnen sich um Stone Town, der "Hauptstadt" Sansibars. Und alle könnten wahr sein. Diese Stadt ist ein überdimensioniertes Piratennest mit unzähligen verwinkelten Gässchen und undurchdringlichen Gesichtern. Dazu die alten Bauwerke aus der Kolonialzeit, ein Schmelztiegel der arabischen, afrikanischen und europäischen Kulturen. Überall werden Kraueter und Gewürze feilgeboten und natürlich Fisch. Durch unser Güsthouse im Stadtteil Malindi, direkt am Hafen, weht der wohlbekannte Duft von Fischbuden, da wir fühlen wir uns Hamburg schon wieder ein Stückchen näher. nach Diktat verreist -dwo


lustiges vespa-gestümper in sansibar
stone town, 30.1.2005

mit 17 habe ich davon geträumt, eine vespa zu haben. 20 jahre später sitze ich zum ersten mal auf einer. und das geht fast in die hose. der typ vom motorradverleih erklärt mir kurz die gangschaltung und zeigt mir die ersatzzündkerze. wie? woher weiss ich, wo dieses teil hinkommt, wenn der motor seinen geist aufgibt? ich sitze zum viertel mal im leben auf einem moped, und die hatten alle automatik.

die ersten vier startversuche würge ich alle ab, unter allgemeinem gelächter der umstehenden sansibares. woldo lässt sich davon nicht erschüttern. dann zockeln wir im ersten gang wie eine schildkröte los. an der ampel kurz vor unserem güsthouse - wir haben die sonnenbrillen vergessen - säuft das gerät zweimal ab, als die ampel auf grün springt. das wird ja lustig.

mit 20 kmh schleichen wir aus der stadt. es dauert keine fünf minuten, da winkt uns der erste polizist an den strassenrand. ich versuch mit der handbremse am lenker das ding zum stehen zu bringen. blöde idee, denn auf der seite ist auch der gaszug, und die vespa macht einen satz wie ein wildgewordener bulle, anstatt zu stoppen. 20 meter weiter halten wir dann irgendwie.

"careless driver, careless driver", sagt der bulle in seiner strahlend weissen uniform, und ich sehe schon die dollarzeichen in seinen augen aufblitzen. wir ergehen uns in blumigen erklärungen, aber ich muss leider zugeben, dass ich keine ahnung hatte, dass diese kleine schwarze pedale da unten die fussbremse ist.

immerhin sind unsere papiere alle in ordnung. dann muss ich unter den strengen augen des polizisten probebremsen. es klappt, und wir schwören stein und bein, die vorsichtigsten fahrer überhaupt zu sein. fast habe ich am ende den eindruck, als könne sich der mann das lachen nur mühsam verkneifen. und tatsächlich wünscht er uns eine gute und sichere(!) fahrt.

zehn kilometer ausserhalb von stone town meistere ich dann den zweiten und den dritten gang. mit 50 kmh knattern wir jetzt durch eine prallgrüne gartenlandschaft. wir werdern noch dreimal rausgewunken. denn jeder bulle hier hofft, dass er einen mzungu findet, der seinen internationalen führerschein nicht mit hat. das bringt schliesslich das extracash zum mageren gehalt. aber da inzwischen auch das bremsen klappt, kommen wir immer durch.

als wir am spätnachmittag von der ostküste zurückkehren, hat sich alles entspannt. zwei polizisten auf dem nachhauseweg winken uns freundlich zu und wir winken zurück. die insel hat feierabend, die strassenhändler und bauern schlendern in ihre dörfer zurück. zum ersten mal ist sansibar einfach nur friedlich und echt.

als wir schon wieder in stone town sind, werden wir ein letztes mal rausgewunken. "woher kommen sie?", fragt der weissgekleidete. "aus paje", antworten wir wahrheitsgemäss, das ist der ort an der ostküste. "wie viele jahre sind sie schon in sansibar?" "was?" "wie viele jahre?" fragt er noch mal. "8 tage", sagen wir, und dann müssen wir alle lachen. er hatte eigentlich nur "from germany" hören wollen. -nbo


snapshot #5 (double snapshot)
stone town, 30.1.2005





noch 30 minuten bis sonnenuntergang. auf der terrasse des africa house, des ehemaligen british club von sansibar, ist der bär los. 300 meist gestylte leiber lümmeln sich in schweren barsesseln, stehen am terrassengeländer, reden, schreien, lachen. alle stürzen bier oder cocktails hinunter. sehen und gesehen werden, fleischbeschau, es ist wie eine mischung aus bar rossi und strandperle (für die nichthamburger: eine schickibar und "das" strandcafe an der elbe). nach monaten on the road im nahen osten und in ostafrika ist das fast ein kulturschock. überflüssig zu erwähnen, dass sich ausser den kellnern kein sansibari in diesem sundowner-gelage tummelt. es ist der neue tourismus-kolonialismus, mit dollarscheinen in der hand, der die britischen kolonialherren von einst beerbt hat.

szenenwechsel, 500 meter entfernt, 30 minuten nach sonnenuntergang: die forodhani-gärten an der uferpromenade von stone town. zwanzig garküchen bieten alles, was der indische ozean an leckerem herzugeben hat. riesige krebse, hummer, fische in allen grössen... sansibaris bummeln mit kind und kegel an den ständen entlang, es ist wochenende, zeit zum flanieren unter den ausladenden bäumen des gartens. wir setzen uns mit einer "zanzibar pizza" (ei, zwiebeln, hackfleisch in einer teigtasche frittiert) und tintenfisch  an einen der plastiktische. ein älterer sansibari spricht uns an und wundert sich, dass wir von den bevorstehenden wahlen gehört haben. seit wann interessieren sich touristen für politik? wir fragen ihn nach dem tourismus und der kriminalität. der schurke kommt vom festland, stellt sich heraus. "die" tansanier seien es, die hier in stone town touristen überfallen und an den stränden das grosse geld machen. die dörfler würden selten zum zuge, wenn die inselregierung konzessionen für neue ressorts vergebe. das klingt nicht sehr begeistert. all is not well in zanzibar. -nbo


Ebony & Ivory
Daressalaam, 31.1.2005

Stickige Hitze schlägt uns entgegen, als wir in Daressalaam an Land gehen. Die nächtlichen Regengüsse haben die Stadt in eine dampfemde Sauna verwandelt. Jeder Schritt treibt mir das Wasser aus den Poren und hinterlässt dunkle Spuren auf meinen Klamotten. Ich schwitze nicht, nein, ich bin Schweiss. Nachts liege ich wach, die Luft klebt. Der Deckenventilator durchsäbelt die feuchte Hitze und lässt und lässt dicke Scheiben auf uns runterklatschen.

In mir dreht sich alles, meine Gedanken zentrifugieren unter meiner Schädeldecke, während ich versuche, meine bisherigen Eindrücke von Afrika zu sortieren. Doch alles ist überladen und schwammig, die Luft, die Nacht, meine Gehirn. Draussen tobt wieder ein Sturm, der Regen prasselt auf die benachbarten Metalldächer, die Vögel in ihren Käfigen auf den Balkonen kreischen hysterisch.

Fragen rauschen mir durch den Kopf, während ich auf die kreisenden Rotorblätter starre und die  Unordnung immer grösser wird. Was habe ich mir von dieser Reise versprochen, ein klareres Bild über diesen Kontinent, Erkenntnis oder einfach bloss eine Erfahrung? Hier in diesem Teil des afrikanischen Kontinents passt nichts zueinander.

Solange Weisse hierherkommen, sind diese per se immer an allem Schuld. Und solange in Afrika die Kinder schwarz geboren werden, wird die Hautfarbe als Generalentschuldigung benutzt, für alles, weil es so schön praktisch ist. Womit sie dann auf der Benachteiligungsskala ihrer Meinung nach ganz oben stehen.

Ich frage mich, was wir hier eigentlich zu suchen haben. Ich komme mir hier ohnehin eher wie ein ungebetener Eindringling vor, denn als ein willkommener Gast. Was würde mit Afrika passieren, wenn sie die Türen zum Westen für die nächsten 10 Jahre dichtmachen, um erstmal mit sich ins Reine zu kommen, ungeachtet der westlichen Massstäbe. Ist es dafür vielleicht schon zu spät?

Der allgegenwärtige Rassismus in diesem Teil des Kontinents richtet sich allerdings nicht nur gegen die weisse Übermacht, selbst innerhalb der einzelnen Länder sind sich die Stämme gegenseitig nicht grün. In Äthiopien können sich die achtzig verschiedenen Stämme nicht als gemeinsames Volk fühlen, in Kenia schlachten sie sich gar gegenseitig ab.

In Tansania hat man sich darauf geeinigt, das gesamte Land dem Tourismus zum Fressen hinzuwerfen. Das bringt Ruhe in die 120 Stämme, weil so jeder etwas abkriegen kann. Political correctness wird hier jedenfalls nicht praktiziert und wirkt als westlichen Verständigungskonstrukt auch deplaziert.

Nach 15.000 Kilometern, Sonnenbränden und Mückenstichen, die nicht mehr auf einen einzigen Körper passen, bin ich keinen Zentimeter weitergekommen in meinem Wunsch, Afrika besser zu verstehen. Aber wahrscheinlich kann das auch nur, wer hier geboren wurde. Und zwar schwarz. nach Diktat verreist -dwo


im sambia-express
zwischen daressalaam und mbeya, 1.2.2005





die halle der tazara railway station in daressalaam erinnert eher an ein flughafen-terminal. ein riesiger wuchtiger bau, vor dem die taxis über eine rampe auf der abfahrtsebene vorfahren. wir haben erste klasse gebucht und werden gleich in die lounge komplimentiert. schwarze ledersessel, livrierte kellner mit fliege. augenblicklich verfällt jeder in diesen diskreten flüsterton.

auf dem makellos sauberen bahnsteig wird noch der zug startklar gemacht. einer von fünf zügen, die hier in der woche abfahren. mehr passiert auf diesem überdimensionierten bahnhof nicht. wie auf ein unsichtbares zeichen hin springen plötzlich alle auf und dann eilen hunderte aus der halle auf den bahnsteig.

woldo und ich haben zwei plätze in zwei verschiedenen waggons bekommen. getrennt nach männern und frauen. kann das wahr sein? ich rede auf eine schaffnerin ein, wir würden gerne einen platz tauschen. kommt überhaupt nicht in frage, sagt die frau, es sei denn, sie mieten ein ganzes abteil (und zahlen noch mal zwei tickets). der ton erinnert mich schwer an alte reichsbahnzeiten im berlinzug durch die DDR. aus den lautsprechern in den abteilen plärrt inzwischen eine brüllend laute ansage.

ein sambier schimpft auf tansania. "alles chinesischer mist." der zug ist tatsächlich in china gebaut, und die sambia-linie stammt noch aus den zeiten des tansanischen sozialismus-experiments. dann finden wir einen engländer, der kurzerhand seinen platz mit uns tauscht.

wir holen tief luft und lassen uns in eins der sofas in der bordbar fallen. ja, richtige sofas, gar nicht so schlecht, der chinesische mist. die fenster sind geöffnet, das castle lager ist kühl und läuft gut, während draussen eine tropische landschaft vorbeirauscht. da, eine giraffe knabbert an einem baum neben dem bahndamm, und da, gleich fünf giraffen.

wir rauchen eine zigarette an der offenen tür und sehen paviane im gras neben den gleisen sitzen. zum ersten mal seit luxor in ägypten wieder in einem zug, es ist grossartig, noch ein castle, und noch ein schnack mit anderen travellern. abends gibt es fisch und reis, serviert von übellaunigen kellnern, und durchs fenster dringt das lärmen von fröschen und insekten aus der nacht herein. das reisefieber hat uns wieder gepackt. -nbo


No stop till Kyela
kyela, 2.2.2005

Nicht, dass hier etwa alle lügen würden. Nein, sie drehen sich die Wahrheit bloss ständig so zurecht, wie sie sie gerade brauchen können und erzählen dir, was du gerade hören möchtest. Der Non-Stop-Expressbus von Mbeya nach Kyela erweist sich dann auch mal wieder als ein ausgelutschter, zerjuckelter Minibus, der gnadenlos mit Frachtgut und Passagieren vollgestopft wird. "Oh no, just three stops!" hatte uns der Ticketverkäufer vorher noch vielversprechend zugegrinst.

Wer's glaubt, wird selig! So halten wir dann auch an jedem Bastkörbchen am Strassenrand, um es samt Besitzer in die überfüllte Chaise reinzuquetschen. Nach dem dritten Halt hätte es dann ja wie angekündigt non-stop weitergehen sollen. Aber Pustekuchen. Nach dem zehnten Ein- und Auslademanöver am Strassenrand tü ich meine Verwunderung kund. Ich schnappe mir den vermeintlichen Geldeintreiber des Busses und erkläre ihm unmissverständlich: "No more stops, otherwise I get money back!" Mal gucken, was es bringt.

Natürlich überhaupt nichts. Denn beim nächsten Stopp steigt mein Gesprächspartner dann aus, winkt mir nochmal freundlich zu und ich stelle fest, dass ich einen Passagier zugetextet hatte. Na, macht auch nichts, hauptsache ich bin's mal losgeworden. Ich drehe mich um und Niels, Dawn und James grinsen sich eins ins Fäustchen. Sie haben es wohl schon vorher gewusst. nach Diktat verreist -dwo


coole sackgasse
kyela, 3.2.2005

nach 20 stunden im zug und drei im fucking minibus kommen wir in kyela an. der letzte ort vor malawi, am nordzipfel des malawisees. staubig, laut, unerheblich, schreibt der rough guide. von wegen. in der haupstrasse am markt dröhnt afrikanischer pop aus den boxen des musikladens, die leute sind freundlich und hilfsbereit, kein jambo-gequatsche mit anschließendem verkaufsgespräch. tansania, wie es wirklich ist, ganz bei sich. kinder winken und lachen, als wir zu viert mit james und dawn durch den ort tapern, um fahrkarten für die fähre zu suchen. die soll morgen früh fünf kilometer von hier ablegen, richtung mbamba bay und nkhata bay. irgendwann landen wir schliesslich im tourist office, und was hören wir da? "die fähre ist seit einer woche ausgefallen", sagt der manager.in drei, vier wochen fahre sie wieder.

dann trinken wir eben ein bier auf der veranda unseres hotels und schauen dem treiben zu. zum ersten mal sind wir gestrandet und können nicht so weiterfahren, wie gedacht. als wir im bett liegen, läuft im hinterhof country music, telly savalas, kein witz. am nächsten morgen gehen mit sonnenaufgang die boxen auf der strasse wieder an. diesmal läuft hiphop. von wegen hinterland. das war eine coole sackgasse. -nbo


chronik

etappen
hamburg – istanbul
istanbul – dahab
dahab – wadi halfa
wadi halfa – addis
addis – nairobi
nairobi – nungwi
nungwi – kyela
kyela – tofo
tofo – kapstadt

gedanken
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