letzte worte vom kap
kapstadt, 22.3.2005

in 20 stunden werden wir in good old europe landen. in london. grossartig, euch bald alle wieder zu sehen. wir verlassen das kap tief zufrieden, denn trotz allem, was uns genervt hat: Es war phantastisch. und was ist das bisschen touristenstress verglichen mit dem gemetzel, das zuhause alle mit diesem kontinent verbinden. das ja auch unbestreitbar stattgefunden hat. aber wir haben ein anderes afrika gefunden, eins, in dem die meisten menschen versuchen - die einen schneller, die anderen, nun ja, langsamer - zu potte zu kommen, ein besseres leben zu erreichen, ohne sich dabei die ruebe einzuschlagen. mir fallen die eleganten kaffeeverkaeuferinnen im sudan ein, nasser, der bedouine in aegypten, der in seinem eigenen mix aus moderne und tradition angekommen ist, kapo kansa, der eilende waldlaeufer aus arba minch (allerdings ein paar schritte zu schnell), die elmolo, die am turkanasee von gemuese traeumen, die entspannte dhaubesatzung von pangani, dickson aus nkhata bay, der freundlichste kellner in ganz ostafrika, die wuerdevolle mrs makhumula aus blantyre, pedro und ricardo aus chimoio, so liebenswuerdig und hilfsbereit, ja und topla mit seinen kumpels im walmer-township von PE, "in a chaotic situation", noch viele andere gesichter huschen vorbei... dieser kontinent ist riesig, wild, schoen, brutal, aber real, kein alptraum, sondern eine er-fahrung, fuer die man nicht zu alt sein kann, auf der man auf die harte tour laecheln lernt. ob mit kindern im gepaeck oder ohne, auf der kap-kairo-linie sind eltern genauso wie kinderlose unterwegs, kurz: es gibt keinen grund, diese weltgegend nicht zu erkunden - aber sehr viele dafuer. hier koennt ihr die globalisierung in all ihren schattierungen mit eigenen augen sehen, und suedafrika ist ihr labor, stolz und voller mut. seid auch mutig. peace. -nbo

 

Freue sich, wer kann
Kapstadt, 22.3.2005

Am Dammtor vor 15 Monaten und 21.000 Kilometern war zu Hause weiter weg als heute. Auf der Zeitachse war Ferne vorgesehen, den Blick geradewegs nach vorne. Von Land zu Land freuten wir uns auf das naechste. Immer in gespannter Erwartung auf das Neue, manchmal auch erleichtert, Unliebsames hinter uns gelassen zu haben. Nach Moslem-Country waren wir anfangs froh, in Aethiopien angekommen zu sein, nach Aethiopien haben wir uns auf Kenia gefreut, dann auf Tansania und von dort ging das Freu-Schnuerchen weiter bis runter an Kap. Immer ohne zu wissen, was uns erwartet. Aber heute freuen wir uns gerade weil wir wissen, was uns erwartet und deshalb noch um so mehr. Zu Hause: unsere Freunde, Familie, die Wohnung, ein Fischbroetchen, das Falkensteiner Ufer, ne Mate, alles demnaechst wieder in Reichweite. Vorfreude ist ja bekanntlich die schoenste Freude, aber heute sie ist vor allem die Anhaeufung von guten Gefuehlen aus Erfahrung. Na, und wenn das kein Grund zur Freude ist! nach Diktat verreist -dwo

 

game park long street
kapstadt, 21.3.2005

"cape town is pretty", sagt neo, der liebenswerte jazzer, den wir am letzten abend noch auf einen wein treffen. "but it's got no edge like jo'burg." recht hat er. kapstadt ist zu schoen fuer diese welt, mit dem maechtigen tafelberg und all seinen straenden, seinen geschniegelten surfern und wellness-fanatikern, den amerikanisierten blondinen und dieser kraeftigen schuss deutscher BWL-touristen. aber es befreit sich langsam von seinem alten geld und dessen betulichkeit. kapstadt ist auf dem weg zur weltstadt. in der long street und ihren seitenstrassen ist das vorweggenommen, im schatten der paar wolkenkratzer von downtown ist eine partymeile auf 300 meter komprimiert. trinken, feiern bis zum umfallen, nichts fuer nachdenkliche gemueter, die intellektuellen ziehen gerade erst ans kap, wo sich die kritische masse erst noch aufbauen muss. aber der spass ist schon gewaltig: im "ivory room" groovt die menge zu erstklassigem hiphop, schnoerkellos, nur die mikrophone des rap-contest fallen aus, macht nichts. weiter geht's ins "marvel", das ist hamburger berg pur, fast wie rosis bar. OK, nun ein guinness im "jo'burg", schon wieder assoziationen: "sorgenbrecher" in st. pauli oder eher "wiener blut" in kreuzberg? hier hoffen bands auf den durchbruch, aber so weit ist "the son of a thousand blues" noch nicht, da fehlt noch kraft, auch das ist noch zu schoen, the doors fuer teetrinker. ach, kapstadt macht die rueckkehr schoener, ist das landekissen fuer hamburg, gegenueber leuchtet die rote neonschrift der "adult world", alles ist schon ein bisschen wie zu hause. das hoert auch nicht im "orchard bank" auf, einer coolen bar mit ledersesseln und glasbausteinen, aber genug patina, die gute alte "lounge" laesst gruessen. da stuerzen wir ein bier, ein hunters dry hinunter und entdecken auf der anderen strassenseite diesen langen gang. zwischen zwei haeusern, zwei brandwaenden gehen wir dann "den langen gang entlang" (klingt schoen, nicht? ist ein lied von niels frevert), hausnummer 196 1/2, kein witz, und dann oeffnet sich ein innenhof mit einer wirklich gestylten bar. das myam myam. langer tresen, coole house-musik, schoene menschen, ach warum nicht, der barkeeper ruehrt uns einen daiquiri an. und wenn wir jetzt nicht so erschoepft waeren, wuerden wir es noch im snap, im deluxe, im sowiet, ach was weiss ich wo, probieren, auf diesem ultimativen game drive der nacht am kap der guten hoffnung. st. pauli kann kommen. -nbo

 

am ziel
kapstadt, 16.3.2005

21.000 kilometer, 5 monate, durch den nahen osten, durch afrika, das verrueckte afrika. wir haben es geschafft. wir sind in kapstadt. heil angekommen. aber die stadt sperrt sich. hat nicht auf uns gewartet. kein zimmer frei, heisst es fast unisono, weil hier irgendein komisches radrennen stattfindet. und kapstadt ja ueberhaupt immer hochsaison habe. die zielgerade streckt sich auf den letzten metern lang und laenger, es ist als ob jemand das zielbanner staendig vor uns herschiebt, waehrend wir durch die stadt kurven, da aber doch noch nicht da. irgendwann, es wird gerade dunkel, ergattern wir in der long street ein bett, heiss, stickig und spuckbillig, aber das passt doch eigentlich zu der ganzen zeit, die hinter uns liegt. dann sitzen wir in einer coolen bar im geoeffneten fenster, waehrend vom "mama africa" der beat einer band herueberschallt und in meinem kopf ist auf einmal - nur leere. als ob die ganze euphorie der letzten zwei tage sich nichts fuer das ziel aufgespart hat. das war's, und draussen ist dienstag abend in kapstadt, die nachtschwaermer trinken wie immer und wissen nichts von unserer tour, die ganze stadt hat keine ahnung, wie wir hierher gekommen sind, aber ich will es auch schon gar nicht mehr erzaehlen, erst recht nicht der grande dame am kap der guten hoffnung, die sich nicht um uns schert. pah! der schlaf ist kurz, die luft in unserem winzigen zimmer steht, die klimaanlagen von downtown veranstalten ein summkonzert, das zum gotterbarmen laut ist. um fuenf uhr morgens kapituliere ich, schleiche auf die verande im ersten stock, ueber der naechtlichen verlassenen long street. no sleep in kapstadt. nicht nur reisen, auch ankommen will gelernt sein, dann versuche ich's eben noch mal, schleiche zurueck ins bett, wache zerschlagen vom laerm der stadt auf, aber ja, es ist der laerm der metropole, wir sind in kapstadt, ich schaue aus dem hochgeschobenen fenster, die sonne scheint, und gegenueber prangt ein graffiti "africa village". dann fruehstuecken wir in einem coffee shop, auf dem buergersteig sitzend, der tafelberg thront ueber den haeusern. da muessen wir rauf, das ist das ende, nicht hier unten in der innenstadt, ist uns klar. eine stunde spaeter sitzen wir in 1067 metern ueber dem meeresspiegel, und da liegt sie da, die grande dame, jetzt doch ganz ansehnlich, wir prosten uns zu und sind gluecklich. wir sind endlich angekommen. -nbo

 

zielgerade
13. - 15.3.2005

es ist, als habe ich hummeln im hintern, waehrend ich mit woldo die laecherlich gehypete garden route entlang brettere, wir wollen nicht mehr verweilen, koennen keine neuen eindruecke mehr verarbeiten, wir wollen ankommen. trinken kurz einen espresso in knysna, der puppenstube der garden route, was fuer ein kaff mit all den "ausflueglern", die hier wohl selige tage verbringen wollen, in dieser amerikanisierten touristenfalle. nein, weg von der kueste, rauf in die berge und ueber den pass, und wow! was fuer eine landschaft oeffnet sich da, die kleine karoo, eine weite ebene, eingefasst von wilden bergketten, ueber die wolken wie wasserfaelle stuerzen. rein nach oudtshoorn, in die straussenstadt, wo wir abends straussensteak und morgens straussenruehrei essen, ueberall rechts und links der landstrasse grasen strausse, das ist ein schoenes, friedliches nest, oudthoorn, hier muss ich spaeter noch mal hin, aber nicht heute, nur noch eine tageslaenge von kapstadt entfernt, nichts kann uns halten, weiter, weiter, wieder rauf in die berge, ueber paesse und runter, dazwischen ein kaffee in ladismith. am nebentisch sitzen vier aeltere afrikaner, alle in ihren fuenfzigern, was die wohl vor 20, 30 jahren gemacht haben? haben sie von der apartheid profitiert, oder waren sie dagegen? fragen, die sich jeder deutschland-besucher der fuenfziger wohl auch gestellt hat, wenn er in essen oder frankfurt mittelalte leute sah, war dieser, war jener nazi oder nicht? bloss weiter, barrydale, swellendam fliegen vorbei, wir heizen ueber weite huegel gen sueden, nach kap agulhas, da wo afrika zuende ist. ein schlimmes kaff, keine baeume und freier blick bis zur antarktis, der wind pfeift schon frisch, es erinnert mehr an island im sommer als an afrika, auch da wollen wir nicht bleiben. mich kribbelt es, am liebsten wuerde ich durchheizen bis kapstadt, aber das ist zu weit fuer heute, und in der abenddaemmerung eines herrlichen sommertages erreichen wir immerhin hermanus. trinken einen sundowner in shimmi's bar, cool und stylish, koennte auch in hamburg sein, mit lounge-musik im hintergrund. und ploetzlich purzeln alle diese bilder durch meinen kopf, mensch wir sind fast da, beirut, kairo, lake turkana, sansibar, lake malawi... ich fuehl mich benommen, aber auch euphorisch, zusammen mit dem woldo, darauf einen rose, ole, und ein springboksteak, oh ja, und eine zigarette, dann schwirrt mir der kopf und ich schlafe unruhig, morgen ist der tag da... als wir aufwachen, brennt die sonne noch wilder, kein lufthauch weht vom meer herueber, auf geht's, nur noch 150 kilometer, wir nehmen die kuestenstrasse als zielgerade, wegen all der abgefahrenen kurven. das macht uns gar nichts, ploetzlich ueberkommt uns diese zufriedene ruhe, wir haben das rennen im sack und alle zeit der welt, schauen ein paar robben beim toben im meer zu, biegen am ersten kapstaedter township links ab, noch ein umweg, warum nicht, umkurven chapman's peak, durchfahren die atemberaubende bucht von hout bay, die sonne scheint immer noch, nur noch wenige orte, bakoven, bantry bay... -nbo

 

abends im township
port elizabeth, 12.3.2005

es ist samstag abend im anderen suedafrika. in einer ungeteerten gasse im walmer township hat uns msolisi quza, unser guide, vor einer wellblechkneipe - einer "shebeen" - abgesetzt. "just relax and have a beer", sagt er und faehrt davon, um den geliehenen minibus zurueckzugeben und das abendessen vorzubereiten. topla, juice und ihre freunde haben uns die beiden ehrenplaetze vor einer rohen hauswand gegeben: zwei gartenklappstuehle. hunde schnueffeln und springen an uns hoch, wildes haendeschuetteln ist angesagt. dreimal, wie in afrika ueblich: fuer "peace, rain, prosperity". topla und die anderen sind so erfreut ueber die ungewoehnlichen gaeste aus germany, dass sie uns gleich eine 0,6-liter-flasche castle lager in die hand druecken, das wir uns alle dann bruederlich teilen. jeder, der vorbeikommt, bleibt mit einem strahlenden laecheln stehen und schuettelt uns die hand. winston, ein junger typ ohne schneidezaehne, im fussballtrikot, haelt einen vortrag ueber gott. dass der nun in einfach allem sei. "auch in autounfaellen?" stichelt woldo, denn inzwischen muessen alle ueber diese improvisierte predigt grinsen. topla, ein sympathischer rasta-man mit musketierbart und dem unvermeidlichen schlapphut zwinkert uns zu und produziert ein recht dope-beladenes grinsen. und waehrend die sonne hinter den baeumen am rande des townships untergeht, redern wir ueber europa, suedafrika und die neue zeit. "wir sind alle menschen, all das gerede ueber hautfarben ist nur idelogie", sagt topla. was anderswo wie eine floskel klingt, ist hier und jetzt der spirit dieses augenblicks. keiner will uns anpumpen, keiner lamentiert ueber probleme, die sich nicht loesen lassen. na gut, die ersten biere am samstag nachmittag und das schoene wetter haben mitgeholfen. trotzdem, wir sind es, die eingeladen werden, noch ein bier, und wollt ihr eine zigarette, hier im walmer-township, das als einziges in port elizabeth zwischen weissen vororten den bulldozern des apartheid-regimes standhielt und heute 60.000 einwohner unter den flutlichtmasten zaehlt. in vielen strassen sind die wellblechhuetten bereits den einfachen wohnhaeusern des "reconstruction and development program" gewichen. 28.000 rand pro haus (ca. 3500 euro) laesst sich die regierung die modernisierung der townships kosten. die neuen haeuser werden den leuten innerhalb von zwei wochen auf ihren grundstuecken errichtet, ohne dass diese irgendetwas zurueckzahlen muessten. in einem abschnitt werden gerade 300 zweigeschossige haeuser fuer schwarze uniabsolventen gebaut, die darin mietfrei wohnen koennen, bis sie ihren ersten job gefunden haben. ob nicht die gefahr bestehe, dass die haeuser verwohnt wuerden, wenn niemand dafuer zahlen muss, fragen wir msolisi. er runzelt nur die stirn und wundert sich ueber unser geringes vertrauen in das verantwortungsbewusstsein der townshipler. die regierung will bis 2010 saemtliche huettendoerfer in suedafrika in ordentliche stadtteile verwandeln. ehrgeizig. selbst wenn es erst 2015 wird, der aufbruch ist beeindruckend, und wir fragen uns, warum die regierungen in anderen afrikanischen staaten nicht auch so energisch sind. warum passiert dergleichen nicht in nairobi oder blantyre? "dabei sind die anderen lange vor uns unabhaengig geworden", hat msolisi dazu bemerkt. als topla hoert, dass ich wissenschaftsjournalist bin, wird er neugierig. ob ich wuesste, dass es in afrika eine uralte wissenschaft gebe, die die welt bisher ignoriert habe. ich kann ihm nicht ganz folgen, als er mich fragt: "do you know the triangle of death?" dort hindurch wuerden wir alle irgendwann in die andere welt hinuebergehen, ueber die leider keiner berichten koenne, weil noch niemand zurueckgekommen sei. "weisst du, dass unter den ozeanen und fluessen andere seelen leben?" meint er mit geheimnisvollem blick. rausch und realitaet mischen sich in dieser fruehen abendstunde entwirrbar miteinander. "you're my long lost brother", meint er schliesslich, und ich kann mir tatsaechlich vorstellen, wie er und ich am pferdemarkt in st. pauli ueber den aufbau des universums philosophieren wuerden. juice, der bedaechtigste von allen, war einmal sieben wochen in norddeutschland. was ihn dort am meisten verbluefft hat, sind die fussgaengerzonen gewesen. "mitten in der stadt fahren keine autos, alle sind zu fuss oder mit dem fahrrad unterwegs. und so viele fahrraeder." das sei ziemlich verrueckt gewesen, meint er. woldo ist unterdes mit einem aelteren, ebenfalls zahnlosen ins gespraech gekommen, und als sie ihm sagt, das echte freunde das wichtigste im leben seien und viel geld einem feinde, aber bestimmt keine freunde einbringe, fuehlt er sich bestaetigt. er bedankt sich sogar bei ihr fuer dieses statement. dann sagt juice ploetzlich "auf geht's", das essen bei msolisi zuhause sei fertig, und wir brechen auf. ein anderer, der zwischendurch hinzugekommen ist, moechte eine der bierflaschen behalten, die wir mit zum essen nehmen wollen. ich will ihm eine in die hand druecken, als topla abwinkt. der mann sei schon zu betrunken und zu gierig. kommt nicht in frage. "I was born in a chaotic situation, I sort it out", und dann redet er ernst auf den aelteren ein. der satz hallt noch lange in meinem kopf nach. es ist unglaublich, mit wieviel witz, stolz und offenheit diese leute die "chaotische situation" sehen, in die sie die apartheid gestuerzt hat. sie bekraeftigen alle, jene zeit sei hart, sehr hart gewesen. aber da ist kein hass zwischen den zeilen zu spueren. und so, fast am ende unserer tour am rande von port elisabeth, leuchtet kurz wieder der african spirit auf, den zu finden wir hofften, den wir hin und wieder erhascht haben und der doch zu oft verborgen blieb. -nbo

 

europa vs. suedafrika (weiss)
cintsa, 9.3.2005

wenn nicht die afrikaner in den strassen waeren, koennte man suedafrika fuer ein spiegelbild europas suedlich des aequators halten. fuer den versuch, diesen kontinent, der in der vergangenheit der ganzen welt probleme gemacht hat, noch einmal zu erfinden. nur beeindruckener: mit schrofferen bergen, wilderen kuesten, lieblicheren taelern, verrueckteren baeumen, weniger staedten, dazu mit wueste und savanne. dass europaeer so auf suedafrika abfahren, wundert mich nicht. matthew, ein thirtysomething aus kapstadt, den wir vom sani pass nach coffee bay mitnehmen, sieht das anders. "ich beneide euch europaeer", sagt er langsam, in seiner verwirrten art, und man fuerchtet fast, er koennte in der naechsten minute seinen namen vergessen. "ihr fahrt einfach ein paar hundert kilometer, dann seid ihr in einer anderen kultur mit einer anderen sprache." ein schwarzer suedafrika wuerde darueber nur den kopf schuetteln, denn genau das trifft natuerlich auch auf suedafrika mit all seinen staemmen und sprachen zu. aber matthew ist ein weisser suedafrikaner, muttersprache englisch. "als ich in europa war, hatte ich dieses komische gefuehl, weisser zu sein und trotzdem nicht dazuzugehoeren." die erste ankunft hoch oben im norden hat ihn ueberwaeltigt, er schwaermt in einem fort. "ich kannte europa nur aus filmen, ich habe all die bilder im kopf gehabt, lange bevor ich da war. aber dann wirklich da zu sein, war unglaublich." mit denselben worten beschreiben viele europaeer sonst ihren ersten trip in die USA, "so much larger than life". hier unten soll europa die ueberwelt sein? fuer sal, eine suedafrikanerin mit irischen vorfahren, managerin des buccaneers backpackers, nicht. "mir ist europa zu geordnet, zu aufgeraeumt. ich liebe dieses durcheinander hier in suedafrika, alles ist bunter." all die kulturen, die nebeneinander in jeder stadt leben. fuer sal ist suedafrika ihr zuhause, "es gibt kein land, in dem ich lieber leben moechte". matthew dagegen traeumt von europaeischem punk, den er nie miterlebt hat. ich selbst kann mir wiederum nicht vorstellen, hier unten zu leben, mir kommt es manchmal schon recht amerikanisch vor, dieses weisse leben, dass sich allmaehlich in shopping malls verlagert, in die man mit dicken SUVs faehrt. da reicht mir auch die tolle landschaft nicht. -nbo

 

"rueckkehr" - die generalprobe minus pauli
11.3.2005

an ost-london brausen wir vorbei, tanken kurz in berlin, lassen potsdam und braunschweig links liegen und dann ist das schild da: "hamburg 20 km". die letzten zehn kilometer geht es ueber eine schlaglochpiste, immer aufs meer zu, ueber sanft geschwungene gruene huegel, bis die breite flussmuendung vor uns liegt. "welcome to hamburg" steht am ortseingang, hinter dem sich einige bungalows verlieren. vor dem liquor shop auf der hauptstrasse ist hochbetrieb, denn das wochenende hat begonnen. doch kein hanseat weit und breit zu sehen, nur ein paar afrikaner mit bier in der hand und ein paar jungs, die "money" zischen. das ist hamburg, eastern cape province, south africa. eine jener siedlungen, die deutsche auswanderer vor ueber hundert jahren an der sunshine coast und in deren hinterland gegruendet haben. der groesste gag: hamburg suedafrika hat dieselbe telefonvorwahl wie hamburg an der elbe - 040! abends gehen wir, na wohin? zum portugiesen essen, wie auf dem schulterblatt (im schanzenviertel). fehlt nur noch das sagres zum fisch. im unterschied zum hiesigen berlin, einem nest mit riesigem gewerbegebiet, ist das hiesige hamburg ein juwel. ein menschenleerer kilometerlanger strand, beschauliche haenge, auf denen ein paar ueppige landhaeuser mit meeresblick thronen - eins sogar mit reetdach -, einheimische, die in der flusslagune hinter dem strand im sonnenuntergang angeln, kein backpacker-partywahn, nur das zirpen der zikaden unterm sternenhimmel in der nacht... so toll hatten wir uns die rueckkehr nicht vorgestellt. -nbo

 

im mentalen landeanflug
cintsa, 9.3.2005

ganz langsam kommen wir von unserem trip runter. fahren seit einigen tagen mit einem mietwagen durch die lande, was fuer ein luxus nach minibussen, trucks und ueberfuellten faehren. durch die wilde schroffe transkei sind wir nun an der wild coast in cintsa angekommen. trinken morgens unseren kaffee mit blick auf die wueste brandung vor der steilen kueste, stehen abends in der bar des buccaneer backpacker, eines regelrechten travellerdorfes (absolut empfehlenswert), und diskutieren ueber die kommende welle der rauchverbote in europa. afrika entschwindet, nur manchmal kommt es hoch, wie neulich abends in coffee bay. der dunkle beat... aber das koennt ihr unten lesen, ausserdem ein paar notizen zum dach afrikas, zum moloch jo'burg, und im mosambik-abschnitt gibt es jetzt endlich "was ist reisen? #3" zu lesen, ueber den unterschied zwischen travellern und touristen. die laendertips und die ostafrika-schnipsel sind leider immer noch leer, weil internetzeit in suedafrika schwieriger als erwartet zu ergattern ist.

 

dunkler beat
coffee bay, 7.3.2005

die sechs maedchen der xhosa-tanzgruppe haben gerade ihre routinierte vorstellung im bomvu backpacker beendet und das geld eingesammelt, als zwei jungs vor der kueche zu trommeln beginnen. einfach so. mit ernsten gesichtern schlagen sie einen schnellen, harten beat, laecheln nicht, schauen nicht nach rechts oder links. und waehrend wir afrikatraveller uns einmal mehr auskunft ueber unseren mentalen belagerungszustand geben, dringen die trommelschlaege langsam in mein bewusstsein. das gespraech verschwimmt zu einem gemurmel hinter dem rhythmus, meine gedanken wirbeln durcheinander, schwingen mit jedem schlag wie von einer membran angestossen auf und ab, bis ich eine art resonanz fuehle. "this is africa", toenen die trommeln, und es klingt ploetzlich ganz anders als diese idiotische generalentschuldigung, die uns seit monaten begleitet. es ist zum ersten mal ein statement, und dann setzt ein film ein: ein scheissleben ohne moeglichkeiten, durch das euphorische und verstaendnislose touristen stolpern, die an einem tag ganze monatsgehaelter auf den kopf hauen, aber trotzdem knauserig sind, in dem der fluch von kolonialismus und apartheid wie eine schwere graue wolkendecke auf die stimmung drueckt, in dem die moderne nur im fernsehen existiert, der tsunami der normalfall, das alltaegliche wetter ist, AIDS eine dumpfe plage, ueber die man nicht sprechen kann - oder ist es gar eine verschwoerung -, und in dem ein gutes leben ein ziel ist, zu dem vom gottverlassenen coffee bay an der wild coast kein weg fuehrt... hypnotisiert versinke ich im beat der dunklen trommeln, fuehle mich am falschen ort zur falschen zeit, nichts begreifend, so sehr ich mich anstrenge, unbehaglich und ultimativ hilflos im angesicht dieser beiden ernsten jungen, die sich mit dem jackenzipfel den schweiss von der stirn wischen, die immer noch nicht laecheln, aber ihre sicht der dinge subjektiv und kompromisslos aufs fell hauen. dann ploetzlich hoeren sie auf zu trommeln, der film reisst, der flash endet abrupt. now, this was africa! denke ich matt und bin ratloser als je zuvor. -nbo

 

Wollemer neilasse?
Durban, 3.3.2005

Zwei Minuten vor Toreschluss erreichen wir den Bahnhof in Jo'-burg, weil der Taxifahrer sich mit uns im Feierabendstau verfranst hatte. Mit geschulterten Rucksaecken galoppieren wir durch die Bahnhofshalle und suchen mit gehetzten Blicken den Nachtzug nach Durban. Da! Halt noch nicht zumachen, wir kommen! Die Tore werden tatsaechlich geschlossen, puenktlich zehn Minuten vor der Abfahrt, wie es auf dem Ticket stand. Nix mehr mit afrikanischer Gelassenheit. Auf den letzten Druecker schluepfen wir noch durch und lassen uns erschoepft, mit Schweissperlen gross wie Pingpongbaelle auf die Sitze in unserem Abteil fallen. Gerade erst abgefahren, gehts auch schon los. Es rasselt an der Tuer, sie wird aufgeschoben und ein freundlicher Zugbegleiter bietet uns Kaffee an. So geht es dann die naechste halbe Stunde, mal ist es die Bettwaesche, mal das Klopapier samt Zahnputzbecher, Abendessen. Entwoehnt von soviel Zuwendung im oeffentlichen Leben fuehlen wir uns geradezu muetterlich umsorgt. Die Kroenung ist dann der Auftritt des letzten Diensteifrigen: "Hello, my name is Prince. If you need anything just call me. And no, you are not allowed to smoke in here, but you can. Me, I know nothing." Na, darauf erstmal eine rauchen. Zur Nachtruhe gebettet faengt unser Abteilnachbar, der sich die Fahrt mit einer Flasche Whiskey geteilt hatte, erstmal an zu randalieren, als wolle er den ganzen Laden kurz und klein hauen. Nachdem er seinen fluesigen Mageninhalt bei voller Fahrt aus dem offenen Zugfenster geworfen hat schlaeft er endlich ein. So, und jetzt ist Ruhe! Noch einen Mucks und ich hol den Prince, Du! Mit vierstuendiger Verspaetung kommen wir am naechsten Mittag in Durban an, unsere Zugbegleiterschar ist untroestlich und entschuldigt sich etliche Male bei uns. Schon gut, keine Ursache. Seit wann kommt's denn hier auf Puenktlichkeit an, wir sind doch schliesslich in Afrika. Oder etwa nicht mehr? nach Diktat verreist -dwo

 

das neue afrika
johannesburg, 2.3.2005

johannesburg ist die hauptstadt der paranoiden dieser welt. gewalt und unsicherheit begleiten alle mit hellerer hautfarbe auf schritt und tritt. jeder weiss eine horrorgeschichte zu erzaehlen. um so erstaunter sind wir, als uns johannes newtown, den stadtteil suedlich der park station, zeigt. kneipen und fabrikgebaeude, in den konzerte und raves stattfinden, reihen sich da aneinander, und ich fuehle mich sofort ins berlin-mitte der fruehen neunziger zurueckversetzt. damals im e-werk oder im tresor. jo'burg hat dieselbe toughe oberflaeche, unter der das leben brodelt und die so viele verstoert, wie berlin. noch verblueffter sind wir, als wir in melville ankommen, einem der besseren stadtteile im westen. kalifornisches lebensgefuehl pur: ueppige vorstadtgaerten, breite wohnstrassen, cafes und bars, buchlaeden, nichts, was mit den bildern der verbrechensmetropole zusammenpasst. selbst die zaeune und gartentore sehen im vergleich zu nairobis westlands festungsmauern bescheiden aus. abends fahren wir in ein neues einkaufszentrum, das in jo'burgs stadtteilen intakte ortskerne simuliert. trinken ein bier im moyo's, einer afrikanisch gestylten restaurantbar, in der gutbetuchte - schwarz und weiss - ihr "bedrohtes" leben geniessen. die schwarzen hier wirken ganz anders als in ostafrika, viel individualisierter, hipper, keine spur von dem provinzlertum oder der underdog-klischee, das bisher vorherrschte. dass die apartheid erst vor elf jahren offiziell abgeschafft wurde, kann ich kaum glauben. erst im apartheid-museum am naechsten tag bekommt dieses duestere kapitel juengster geschichte ein gesicht. bilder von pruegelnden polizisten in faschistoiden uniformen, von burenfrauen am voortrekker-denkmal mit seltsam altmodischen haeubchen, von zusammengeschossenen demonstrationen, dazu ganz reale einzelzellen, galgen und polizei-panzerwagen, all das ist hier fuer den unglaeubigen besucher aus der ferne in einem beeindruckenden bau zusammengetragen. der kreis schliesst sich: mit auschwitz fing unsere reise an, mit dem apartheid-museum naehert sie sich dem ende. doch waehrend auschwitz, ruine, die es ist, schon einer fernen vergangenheit angehoert, hat die apartheid noch bestand gehabt, als das internet schon erfunden war, als beatles und apollo-mondlandung bereits geschichte waren. ein faschistoides spiegelbild europas suedlich des aequators, das in einer parallelwelt zu existieren schien, als der westen seine gespenster schon vertrieben hatte. als wir spaeter mit johannes durchs abendliche soweto fahren, ist auch dieses schon in einer neuen epoche angekommen. wir fahren an winnie mandela protzigem wohnbunker vorbei, auch sie ist schon eine figur der geschichte. nur die 20 meter hohen flutlichtmasten, die ueberall in soweto die nacht zum tag machen, erinnern daran, dass diese stadt als straflager gedacht war. im "the rock", der "yuppiekneipe" von soweto, wie johannes sagt, trinken wir ein bier. als wir uns eine zigarette anzuenden, werden wir hoeflich gebeten, doch bitte draussen oder im raucherzimmer zu schmoeken. ein paar mittelklasseautos fahren vor. das also ist soweto, einst fanal im kampf gegen die apartheid, symbol fuer kriminelle unregierbarkeit? soweto 2005 ist eine stadt, in der die menschen anfangen, die vergangenheit hinter sich zu lassen und etwas aus ihrem leben zu machen. wenn es fuer diesen traurigen kontinent hoffnung gibt, dann sind jo'burg und soweto fuer mich ihr symbol. hier wird das neue afrika seinen anfang nehmen. -nbo

 

wieder in der ersten welt
johannesburg, 28.2.2005

nach zwei wochen mosambik sind wir vorhin in jo'burg, dem moloch von suedafrika, angekommen. kulturschock! ein geradezu britisch anmutendes downtown, hochhaeuser und alte fabriken, hoellischer verkehr, bankpalaeste und shopping malls, ueber denen ein dunkelgrauer gewitterhimmel hing, das wetter feucht-kuehl. gar nicht afrikanisch. passend zum namen der stadt wurden wir von nbos altem "woche"-kollegen johannes an der gigantischen park station abgeholt. nach einer kleinen rundfahrt durchs toughe zentrum und einem echten deutschen abendbrot mit wurst, kaese und guerkchen (phantastisch) bei johannes und merle zuhause werden wir nun erst mal im stadtteil melville einen trinken gehen. mosambik war sehr zwiespaeltig: wir haben den tollsten strand unserer tour dort entdeckt, in maputo, der hauptstadt, aber auch den bisherigen tiefpunkt aller afrikanischen trostlosigkeit gefunden. mehr dazu morgen, wenn wir wieder einmal eine unserer internetsessions einlegen (mosambik ist nicht gerade connected).

 

 

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