ein paar verspaetete tips zu aethiopien...
8.1.2005

TRANSPORT rumreisen in aethiopien ist leider fuerchterlich - weil alle busse grundsaetzlich um 5:30 - 6 h abfahren. da es keine sitzplatznummern gibt, muss man mindestens eine halbe stunde eher da sein, um sich dann mit den restlichen reisenden um die plaetze zu balgen. das bedeutet etwa um 4 h aufstehen. da macht das busfahren ueberhaupt keinen spass, zumal die busse zu kleine sitze haben, 5 in einer reihe und meistens alt und klapprig sind. --- GONDAR - uebernachten: das runde turmartige "circle hotel" (02251-8-111991) ist zwar schon nach vier jahren runtergewirtschaftet, aber die grossen zimmer haben riesige fensterfronten mit einem tollen blick ins tal. doppelzimmer kostet 80 - 100 birr, je nach verhandlung. oben gibt es bar und restaurant mit dachterasse. - essen und trinken: rund um die piazza gibt es viele tolle cafes und restaurant, in denen man entspannt stunden zu bringen kann. auf der strasse wird man allerdings von kindern und jugendlichern belagert, die geld wollen oder touren anbieten. --- BAHAR DAR uebernachten: da aethiopische guest houses meistens ziemlich schmuddelig sind, sollte man etwas geld ausgeben und ins "ghion", doppelzimmer 150 birr, oder ins "dubambessa" (00251-8-201436), doppelzimmer 140 - 165 birr, gehen. beide haben blick auf den tana-see, das ghion liegt sogar direkt am see, mit einem schoenen open-air-restaurant. im dubambessa ist das personal an der rezeption etwas verpeilt und spricht kaum englisch. die zimmer sind aber schoen. essen: am besten im ghion, da ist es wenigstens gemuetlich. --- ADDIS uebernachten: das "baro hotel" (00251-1-559846, muniyem street, im piazza-viertel) ist mit 75 birr pro doppelzimmer richtig billig, sauberkeit ist OK. der gruene innenhof mit sofas und tischchen ist eine wahre oase in der stadt. es gibt auch ein schwarzes brett, an dem mitreisende fuer touren gesucht werden koennen. auch nicht schlecht ist das taitu (00251-1-560787), das aelteste hotel von addis, um die ecke vom baro. etwas teurer, aber mit einer sehr schoenen lobby. - kaffee trinken: am de-gaulle-platz im piazza-viertel gibt es gegenueber dem kino, schraeg gegenueber dem electricity house, ein tolles cafe mit vielen tischen auf dem buergersteig. immer rappelvoll, guter kuchen und sehr huebsche kellnerinnen. das "tomoka coffee house" ist ein muss fuer alle kaffeefreaks (wavel street). - essen: arabische und aethiopische kueche gibt es im "omar khayyam" (eden street). sehr gute, etwas teurere aethiopische kueche gibt es im "dashen restaurant" in einer seitenstr. der churchill road (00251-1-529746), taxifahrer wissen wo. am wochenende laeuft dort live-musik, und die addiser (eher wohlhabende) kommen, um den taenzerinnen zuzuschauen oder mitzutanzen. sehr lustige atmosphaere. --- ARBA MINCH uebernachten: in der oberstadt, direkt an der kante zum rift valley liegt das mehr als 40 jahre alte "bekele mola hotel" (00251-2-810046). vollpension kostet 288 birr fuer zwei personen, das doppelzimmer alleine 162 birr. vollpension lohnt sich aber nicht, man faehrt besser, das essen getrennt zu bezahlen (gibt allerdings keine aethiopische kueche, seltsam). man kann hier tage damit zubringen, auf die beiden seen und den nechisar national park zu schauen. die kellnerinnen sind sehr nett, die maennlichen angestellten hingegen im wesentlichen unfaehig oder schnarchnasig. das wasser faellt jeden zweiten tag aus. - touren: jeder will einem eine tour in den nechisar national park verkaufen. am besten ist man dran, wenn man zum tourist office geht, in der oberstadt, sikela, und das ganze bei kapo kansa, einem sehr netten, ruhigen und wissenden mann bucht. tagestour im jeep kostet 600 birr pro wagen incl. fahrer, eine wanderung mit ihm 100 birr pro tag. dazu kommen 70 birr pro nase parkgebuehr. die krokodilfarm am lake abaya ist schrott, der "krokodilmarkt", eine natuerliche krokodilkolonie am lake chamo soll ganz toll sein (haben wir uns sagen lassen). --- OMO VALLEY auf eigene faust da durch zu fahren, ist so gut wie unmoeglich. man kann 10-tage-touren in und von addis buchen, aber besser ist es, das ganze von arba minch aus zu starten. auch hier ist kapo kansa vom tourist office die erste wahl. der mann kennt das omo valley wie seine westentasche. ausserdem bleibt das geld in arba minch - addis ist schon reich genug. --- KONSO uebernachten: im st. mary hotel kann man fuer 50 birr, doppelzimmer, gut schlafen und von der veranda stundenlang auf die hauptkreuzung des ortes schauen. grosses kino. touren: dinote im tourist office organisiert touren in die umliegenden bergdoerfer. empfehlenswert ist machekie, auch wenn die doerfler schon sehr tourismuserprobt sind. kostet 30 birr fuer dinote (3-stunden-tour) plus 40+birr pro stunde fuer den wagen. in konso gibt es allerdings keine jeeps, gefahren wird mit isuzu-lastern. ein echtes abenteuer. --- VON KONSO NACH YABELO wer aus dem rift valley an die kenianische grenze moechte, kann montags und donnerstags, an den markttagen, fuer 20 birr mit einem truck nach yabelo fahren, dort trifft man wieder auf die nord-sued-strasse ostafrikas, die von addis runterkommt und bis nairobi fuehrt.

 

Ein Schulaufsatz
28.12.2004

Heute sind wir busgefahren, von Aethiopien nach Kenia. Wir haben viele Tiere gesehen. Zwei Dik-Diks und eine Antilope und einen grossen Leoparden. Alle tot. Plattgefahren auf dem Trans-Afrika Highway. Wie schade. nach Diktat verreist -dwo

 

durchs rift valley
27.12.2004

ich bin gluecklich wie ein kind, dass stundenlang in einem spielzeuglaster umhergefahren wird. fuehle mich zurueckversetzt in jene zeit vor 30 jahren, als wir aus dem ruhrgebiet nach hessen zogen und ich zwischen kisten, teppichrollen und anderem kram rumtollte. so aehnlich sieht es auch auf der ladeflaeche des trucks aus, der drei stunden durchs rift valley braust. mangokisten, chatsaecke, autoreifen, kartoffelsaecke, darauf und dazwischen unglaublich viele menschen... der heisse fahrtwind blaest mir ins gesicht, taeler oeffnen sich zu weiter savanne, gewaltige bergruecken naehern sich und verschwinden wieder, waehrend die ausladenden afrikanischen baeume vorbeifliegen. da, drei dik-diks, hasengrosse antilopen, ueberqueren die strasse. eine pavianfamilie. wir halten in einem ausgetrockneten dorf. eine dicke frau verkauft von unserem laster herunter buendelweise chat, diese wachmacherblaetter. arme recken sich, birr-scheine werden ueber den wagenrand gereicht, aufgeregte gesichter, aufgebrachte stimmen, das woechentliche dope ist da. dann fahren wir weiter und lassen eine rote staubfahne zurueck. termitenhuegel saeumen die schnurgerade piste wie insektenwolkenkratzer. ein paar maenner tauchen am horizont auf, einige rufe, wir halten. alle fuenf haben ein gewehr umgehaengt, einer eine kalaschnikow. aber sie haben nichts uebles im sinn. auch sie warten nur auf ihre chatration, die sie fuer die naechsten stunden high machen wird. der einzige kick, den diese leere landschaft hergibt. wir lassen die knarrentraeger und das tal hinter uns, der truck quaelt sich jetzt die berge hinauf, die baeume stehen dichter, alles ist saftig gruen. irgendwo knabbern kamele an zweigen. "you" sagt der junge bursche mir gegenueber, "photo?" ich schuettele den kopf. diese bilder kann man gar nicht alle festhalten. es sind zu viele. grossartiger als kino. -nbo

 

in anti-aethiopien
konso, 26.12.2004

mit einem isuzu-LKW fahren wir von konso in eins der umliegenden bergdoerfer. aethiopien ist hier laengst zuende. die menschen sprechen nicht mehr amharisch, sondern konso. wie vogelnester thronen diese doerfer auf 1500 meter hohen gipfeln. was wir dort finden, ist eine ueberraschung: eine fast mittelalterliche stadt, machekie. von engen steinmauern eingefasste gassen ziehen sich zwischen familiengrundstuecken mit strohlehmhuetten dahin, oeffnen sich zu grossen plaetzen. 5000 menschen leben hier auf engstem raum, davon allein 1000 kinder im grundschulalter und juenger. wir sind attraktion, sie folgen uns schnatternd und fragend auf schritt und tritt. dinote, unser guide, erzaehlt uns, dass noch vor einigen jahren die menschen weggerannt sind , als er erste touristen hierher brachte. er musste die einwohner geradezu anbetteln, fuer ein foto naeherzukommen. die leute hier haben schnell begriffen, dass dabei etwas zu holen ist. heute recken sich unzaehlige haende nach einem birr-schein. frauen posieren mit einem baby an der brust, einer wollspindel in aktion. alle 18 jahre errichten die machekianer einen neuen generationspfahl auf ihren plaetzen. daran machen sie ihre zeitrechnung fest. wie alt einer genau ist, wissen sie nicht, nur ob einer vor oder nach dem aufstellen eines pfahls geboren wurde. die machekianer sind aber vor allem in einer hinsicht bemerkenswert. sie sind die einzigen in ostafrika, die seit jahrhunderten eine landwirtschaft auf befestigten terrassen betreiben. dadurch haben sie verhindert, dass an den berghaengen der boden durch erosion abgetragen wird. die gesellschaftsordnung ist noch strikt. junge maenner muessen zwischen ihrem zwoelften geburtstag und der heirat in gemeinschaftshaeusern wohnen. sex vor der ehe ist verboten. und wo sollte er auch stattfinden, in dem engen dorf bleibt nichts unbemerkt, kennt jeder jeden. ich frage mich, wovon die jungen, die auf uns einreden, traeumen. "willst du hier bleiben oder nach addis gehen, wenn du gross bist?" frage ich einen, aber er schaut mich nur verstaendnislos an. wer weiss, was passiert, wenn einer hier die satellitenschuessel mitbringt. auch im weiter entfernten omo valley ist die zeit - noch - stehengeblieben, wie uns kapo kansa, unser guide in arba minch, erzaehlt hat. leo, ein sehr netter hollaender, der vorhin in konso eingetroffen ist und mit uns die tour macht, berichtet von einem erlebnis auf dem markt in jinka. dort habe er eine frau in stammestracht fotografiert und das foto mit einem stueck seife bezahlen muessen. die frau aber habe die seife angeschaut wie einen ausserirdischen gegenstand, als wisse sie nicht, was sie damit machen solle. suedwestaethiopien ist ein flickenteppich von staemmen (und sprachen), die mit der moderne bisher nur ueber kameraobjektive von touristen, alkohol und birr-geldscheine in beruehrung gekommen sind. die aethiopier, also die tonangebenden staemme der amharer (20 mio), oromier (16 mio) und tigrinier (5 mio) aus dem norden, empfinden sie ebenso als kolonialherren wie diese frueher die briten oder italiener. fuer sie ist die aethiopische nation ein sinnloses konstrukt. -nbo

 

entschleunigung bis zum stillstand
konso, 26.12.2004

von der balkonveranda des st. mary hotels, des einzigen dreistoeckigen hauses in konso, beobachte ich die zentrale kreuzung dieses bergortes. die aethiopische fahne flattert ueber der verkehrsinsel im wind. in der morgendlichen sonne werfen menschen und kuehe noch lange schatten ueber die rote schotterstrasse. alles scheint scheint wie in zeitlupe abzulaufen. niemand eilt irgendwohin. nur ein paar kinder rennen kurz hinter einem jeep her. spaetestens mit 13 werden sie sich das abgewoehnt haben. danach werden sie nur noch schlendern wie alle erwachsenen maenner hier. die strasse rauf und wieder runter, einmal um die verkehrsinsel, um dann fuer eine halbe stunde auf der mauer der einzigen tankstelle von konso zu sitzen. um zu warten. aber vielleicht ist schon "warten" ein falsches wort, ein westliches wort. in konso wird heute, an einem sonntag, nichts passieren. der bus aus arba minch ist schon angekommen, der aus jinka wird gleich da sein, und das war's dann. mehr busse kommen nicht. ein paar faranji fahren in der jeep-kolonne einer organisierten tour in den hof gegenueber. nur ein paar frauen ackern schwer und schleppen tiefgebueckt riesige brennholzbuendel auf dem ruecken ueber die kreuzung. die maenner schaukeln lieber ihre eier - eine rollenverteilung wie in vielen (dritt)weltgegenden. an diesem leben prallen saemtliche konzepte der westlichen moderne ab. "effizienz", "produktivitaet", das laesst sich wahrscheinlich in der konso-sprache nur umstaendlich umschreiben. alles ist bricolage, improvisation, reine gegenwart, aber ohne jede romantik oder erleuchtung, nein, ganz schier. da ist nichts cooles, nicht faszinierendes dran. eine entschleunigung, die im stillstand endet. nicht das, was sich der von burnout bedrohte westler unter einer lektion "entschleunigung" vorstellt. es gibt nichts zu lernen. alles, was sich da unten abspielt, ist offensichtlich und belanglos. fuer den westler gibt es keinen weg, der dort unten auf die kreuzung fuehrt. er wird dort nie ankommen koennen. voellig ausgeschlossen. -nbo

 

small is beautiful
arba minch, 25.12.2004

bezabe, unser weihnachtsmann gestern und eine wahre seele von mensch, zeigt uns mittags sein schulprojekt. von den spenden aus dem siegerland, wo er seit den achtigern lebt, hat er gebrauchte laptops, PCs, drucker und scanner organisiert und nach arba minch gebracht. zusammen mit einigen verwandten und bekannten hat er dort das private omo teachers training institute (omo TTI) gegruendet. "ich habe allen auf unserer sitzung heute morgen noch mal klar gemacht, dass das hier kein profitunternehmen ist", erzaehlt er uns. fuer ihn ist es echte hilfe zur selbsthilfe, vorbei an NGOs und internationalen grossprojekten, in denen das geld zu oft versickert. am omo TTI werden 300 grundschullehrer ausgebildet. zehn monate dauert das programm, das in zwei etagen eines versicherungsgebaeudes in der oberstadt von arba minch stattfindet. ein lehreranwaerter benoetigt fuer diese zeit samt miete und essen 480 euro. was fuer eine laecherliche summe fuer uns, die wir zuhause womoeglich an einem langen wochenende in einer europaeischen grossstadt auf den kopf hauen. bezabe ist aethiopier und siegerlaender zugleich. dass auslaender hier in aethiopien manchmal "sonderpreise" aufgedrueckt bekommen, beschaemt ihn, vor allem, wenn es seine freunde sind. ueber die wasserversorgung in arba minch geraet er richtig in rage. obwohl es manchmal schuettet und die stadt 40 natuerliche quellen hat, gibt es manchmal jeden zweiten tag kein wasser. von den zwei pumpen des wasserwerks, die vor 20 jahren aus deutschland kamen, funktioniert nur noch eine richtig. bezabes naechstes projekt ist die errichtung einer modellgrundschule, an der die frischgebackenen lehrer des omo TTI das gelernt gleich umsetzen koennen. wenn er das zum laufen bringt, hat er mit seinen freunden ein modell fuer all die kommunen geschaffen, die die misswirtschaft in addis links liegen laesst. selber machen statt eloquent zu lamentieren oder neoliberalen effizienztraeumen nachzuhaengen. E.F. Schumacher, der schoepfer der "small is beautiful"-idee, haette seine freude gehabt. -nbo

 

Stille Nacht, heilige Nacht
Arba Minch, 24.12.2004

Nach unserem Weihnachtsspaziergang quer durch das Rift Valley machen wir es uns nach anstrengendem, 8-stuendigen Fussmarsch durch sumpfigen Dschungel und bruellheissem Aufstieg des 400m hohen Huegels gluecklich und erschoepft mit einem Bier auf der Hotelterrasse gemuetlich und schauen auf unsere vollbrachte Leistung zurueck. "May I get this chair?" frage ich einen Aethiopier am Nebentisch. "Ja, der ist frei", antwortet dieser mit gerolltem 'R'. "Oh, Sie sprechen deutsch?" "Ja, ein wenig", schmunzelt er. "Ich wohne seit 20 Jahren in Deutschland, im Siegerland." "Mensch, das is ja'n Ding. Kennen Sie Muesen?" "Ja sicher, ich wohne in Kreuztal." "Achwas! Meine Schwester wohnt mit ihrer Familie in Hilchenbach." "Ja, das kenne ich, ist nur 10 Kilometer von uns entfernt, Zufaelle gibt's!" Sein Sohn Daniel kommt dazu, ein knorke Typ, 14 Jahre, Wuschelkopf, aber wir muessen dringend duschen. Als wir nach einer dreiviertel Stunde auf die Terrasse zurueck kommen, erwarten uns die Beiden schon am gedeckten Tisch, mit Blumen und brennender Kerze. "Das war Daniels Idee" sagt Bezabe stolz. "Ich moechte Sie heute abend einladen, hier in meinem Land, weil ich den Deutschen etwas zurueckgeben moechte." Wir sind platt und geruehrt von so viel Herzlichkeit. Er faengt an zu erzaehlen, von seiner Anfangszeit in Deutschland. 3 Monate nur Pommes und Currywurst, weil er nicht wusste, wie er etwas anderes bestellen sollte. Heute ist er hier in Arba Minch, um nach seinem Schulprojekt zu schauen, das er mit privaten Spendengeldern hochgezogen hat. "Klein, aber fein", sagt er. "Wir ermoeglichen Kindern, die ihre Eltern durch AIDS verloren haben, eine Schulausbildung. Denn das ist die Voraussetzung fuer ein besseres Leben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir mit meiner Schwester damals einen Bleistift teilen musste. Ich weiss, woran es hier mangelt." Diesmal hatte er neben T-Shirts der Sparkasse Siegen zwoelf Laptops im Gepaeck, sein ganzer Stolz. Alles finanziert mit privaten Spenden. Wir verabreden uns fuer den naechsten Tag, um dieses Schulprojekt zu besuchen. Wir reden und reden und unterdessen hat sich der Himmel mit drohend schwarzen Wolken zugezogen. Es blitzt und donnert jetzt und schuettet wie aus Eimern. Wir sitzen mitten im Gewitter unter der ueberdachten Terrasse, durch das Rift Valley schiessen schwefelig-silbrige Blitze, die das ganze Tal erleuchten, eine gewaltige Szenerie. Waehrend unserer angeregten Unterhaltung ziehen wir gemeinsam ueber die NGOs her und bekomen gar nicht mit, dass sich das Unwetter mittlerweile verzogen hat. Zum Schluss werden wir noch ueberhaeuft mit Segen und guten Wuenschen und fuehlen uns zu Heilig Abend wieder einmal sehr willkommen in der Ferne. Kann es Zufall sein, dass wir dieses liebenswerte Vater-Sohn Gespann ausgerechnet heute getroffen haben? nach Diktat verreist -dwo

 

Das gut versteckte Paradies
Arba Minch, 23.12.2004

Der Sueden Aethiopiens ist abgesehen von seiner Naturvielfalt in jeder Hinsicht unterentwickelt. Und wenn es nach der Regierung geht, soll es so auch bleiben. Eigeninitiativen, wie zum Beispiel die touristische Erschliessung dieser Region werden finanziell nicht unterstuetzt oder sogar vereitelt. Dies erzaehlt uns Kapo Kansa, der das Tourist Office in Arba Minch im Alleingang schmeisst und der diesen Boykott schon am eigenen Leib erfahren hat. Der Sueden mit den Naturparks Omo Valley und Rift Valley wird vorsaetzlich ausgeblutet. Das ganze Geld geht in den Norden, dorthin, wo die meinungsstarke Waehlerschaft sitzt. Was fuer uns als Touristen durch die Urspruenglichkeit dieses Landstrichs reizvoll scheint, ist fuer dessen Bevoelkerung eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Die noetigen Gelder fuer Wasserversorgung und Strassenbau bleiben aus, damit der Norden blueht. In keinem aethiopischen Bildband ist auch nur ein einziges Foto dieser Region abgedruckt. Jetzt weiss ich auch, warum. nach Diktat verreist -dwo

 

gech
arba minch, 22.12.2004

"ich bin auf dieser strasse gross geworden", sagt gech und zeigt auf die buckelpiste vor der flamingo pastry. das ist die hauptstrasse der unterstadt von arba minch. seine haare will re sich jetzt lang wachsen lassen. im nacken baumeln ein paar kurze geflochtene zoepfe, wie manche hiphopper das tragen. in sechs monaten wird gech vater. "das baby wird ein makiato." ein milchkaffee, denn die mutter ist eine englaenderin, die er hier in arba minch kennengelernt hat, als sie als englischlehrerin arbeitete. jetzt ist sie wieder in london und im fruehjahr will er sie dort besuchen. "aber ich will nach paar monaten wieder zurueck, am liebsten meine eigene agentur aufmachen." gech ist anders als die "lost generation", wie woldo und ich die jungen maenner zwischen 15 und 30 getauft haben. gech kennt deren traum. "die glauben, dass in europa das geld auf den baeumen waechst." sie hoffen auf das schnelle geld, das man den "faranji", den touristen, aus der tasche ziehen kann. natuerlich ohne arbeit. bloss keine finger kruemmen und sich am besten noch den nagel vom kleinen lang wachsen lassen. und was macht die lost generation den ganzen tag? "24 hours ass-working", sagt gech trocken. also rumsitzen und nach touristen ausschau halten. gech hat als kleiner steppke am busbahnhof fuer touristen ruecksaecke getragen und dabei das erste englisch aufgeschnappt. wie viele andere. aber irgendwann hatte er eine neue idee, neu jedenfalls fuer den ort. er machte einen buechertausch fuer traveller auf. englaender schickten ihm 50 gelesene buecher zu, und dann zog er mit seinem stapel durch die cafes. wer ein buch tauschte, musste 5 birr zahlen. das brachte ihm schliesslich genug geld ein, um mit zwei freunden fuer 30 birr im monat ein zimmer zu mieten, ohne wasser und strom. endlich weg von der strasse. dann ueberzeugte er eine reisegruppe, ihn mit ins omo valley zu den staemmen zu nehmen. so fing er an, das tal kennenzulernen, bis er selbst tourguide wurde. das geld reichte dann, um ein ganzes haus zu mieten. mit seiner mutter hat er dann auch noch ein waisenhaus aufgemacht. 40 kleinkinder leben dort, aeltere nicht, die koenne man nicht mehr auf den richtigen weg bringen, sagt er. er hat auch anderen strassenkindern jobs organisiert. "die leute hier in den laeden", und er zeigt auf die andere strassenseite, "haben alle genug geld. von denen ist keiner arm. aber sie kuemmern sich hier um nichts." warum gibt es nicht mehr typen wie gech? es sind offenbar vor allem europaeische traveller gewesen, die ihn gepraegt haben. "I love this generation from europe." fuer die mutter seines makiato will er putzen und kochen, wenn das so sein muss, so wie es in europa inzwischen auch selbstverstaendlich fuer maenner ist. mit den aethiopischen frauen kann er nicht mehr viel anfangen. "die waschen ihren maennern sogar die fuesse." und vergaessen dabei das leben, sagt er. das leben, das ihn fasziniert. anfang 20 ist gech erst, aber ich glaube, er ist sogar weiter als viele der von ihm bewunderten generation in europa. -nbo

 

Brot fuer die Welt
Arba Minch, 21.12.2004

Wer kennt sie nicht, die zahllosen nichtstaatlichen Organisationen, in denen man gerade zur Weihnachtszeit sein Gewissen erleichtern kann. Dann herrscht hier Hochkonjunktur, und das nicht nur in den Spendentoepfen. Auch in den teuersten Hotels des Landes, in denen die Angestellten dieser Organisationen (NGOs) weihnaechtens zu residieren pflegen. Im Bekele Mola Hotel in Arba Minch, in dem wir uns eine gepflegte Pause goennen wollen (das Zimmer immerhin zu 288 Birr) haben wir Glueck und bekommen das letzte freie Zimmer. Alle anderen sind schon seit Wochen ausgebucht, von NGOs, wie wir vom Manager erfahren. Da geht das Geld also dahin. Geld, bei dem der edle Spender sicherlich dachte, damit ein hungriges Maeulchen zu stopfen zu koennen oder dringend benoetigtes Schulmaterial und nicht den Weihnachtsurlaub irgendeines "Wohltaeters" zu finanzieren. Wieviel der Spendeneinnahmen tatsaechlich beim Empfaenger ankommt, nachdem Administration, Managergehaelter und Fuhrpark abgezogen sind, ist unueberschaubar. Es mag vielleicht idealistisch klingen, aber abgesehen von medizinischen Unterstuetzung sollte Helfen kein Berufszweig sein, sondern vielmehr eine Herzensentscheidung, ehrenamtlich, Hochqualifizierte nicht ausgeschlossen. Wenn ich sehe, wo hier das Geld versickert, bleibt fuer andererleuts Weihnachts-Chichi meine Tasche jedenfalls zugeknoepft. nach Diktat verreist -dwo

 

Der Garten Afrikas
Addis, 20.12.2004

Denkt man an Aethiopien, kommen sofort die Katastrophenbilder aus den 80ern in einem hoch. Blaehbaeuchige Kinder mit unzaehligen Fliegen in jeder Kopfoeffnung und hungrigen glasigen Augen. Heute, 20 Jahre nach der Duerre, hat das nur noch wenig mit diesem Land zu tun. Hier wachsen Fruechte aller Art in Huelle und Fuelle, Mangos, Papayas, gigantische Bananen, Orangen. Hier muss keiner hungern. Der rote Boden ist der fruchtbarste, den es gibt. Trotzdem, wuerde wieder eine Ernte ausbleiben, wuesste sich auch heute keiner zu helfen, die Probleme waeren heute die gleichen, wie vor 20 Jahren. Keiner hat hier etwas dazugelernt, es gibt keine Vorratshaltung oder vorrausschauende Vorsorge. Was geblieben ist aus deser Zeit, ist der Glaube an die westliche Hilfe, vor allem in finanzieller Hinsicht. Warum deswegen auch planen? Man muss doch nur abwarten, bis die naechste Katastrophe kommt und man wieder ueberschuettet wird mit Hilfsguetern aus aller Welt. Der koerperliche Hunger ist einem anderen Beduerfnis gewichen, dem Hunger nach Wohlstand. Doch dafuer sind es einfach zu viele, eine Bevoelkerung von 72 Mio. Menschen, von denen es jeder als Erster geschafft haben will. Und ploetzlich ist nichts mehr uebrig von der vollmundig beteuerten afrikanischen Gelassenheit. Es wird gerempelt, getreten und gespuckt. Es regiert der Instinkt, von Zivilisation weit entfernt. Die Scheisse quillt unter Klotueren durch, Hygiene ein Fremdwort, Krankheiten koennen sich verbreiten, wie Lauffeuer. Wenn eine Population aus den Fugen graet, herrschen animalische Zustaende. Vor allem, wenn der ueberdurchschnittliche Teil unter 25 Jahre alt ist, eine pubertierende Bevoelkerung ohne die so notwendige Weitsicht. Wieso auch an morgen denken, wenn es uns doch heute gut gehen soll? "Hey mister, give me five Birr!" Schnorren kann hier jeder, diese Lektion haben sie von ihrer Regierung nur zu gut gelernt. nach Diktat verreist -dwo

 

nachrichten aus aethiopien
addis, 20.12.2004

es gibt hier erstaunlich viele zeitungen, diverse auf amharisch, aber auch einige englischsprachige tages- und wochenzeitungen. das ereignis der letzten woche war der besuch von bundespraesident horst koehler, der sich tatsaechlich drei tage zeit nahme, um das hundertjaehrige jubilaeum der deutsch-aethiopischen beziehungen zu wuerdigen. im gepaeck hatte er einen schuldenerlass von 70 mio. euro. das klingt nicht viel, aber in birr umgerechnet sind es 770 mio. wenn man beruecksichtigt, dass im alltag ein birr eine aehnliche kaufkraft hat wie ein euro bei uns, ist das eine ungeheure summe. ungeheuerlich ist aber auch ein lapsus der deutschen delegation, den die hiesigen zeitungen kritisch vermerkt haben. seit jahren verweigert der aethiopische premier meles zenawi unabhaengigen medien die teilnahme an seinen regierungspressekonferenzen. nun hatten die deutschen im vorfeld des koehler-besuchs den wunsch angemeldet, dass das bei der gemeinsamen pressekonferenz anders sein solle. irgendein ministerium versprach sich, darum zu kuemmern. das war's dann auch. als die konferenz stattfand, kamen wie ueblich nur die journalisten der staatlichen medien. das ist nicht nur peinlich, sondern skandaloes. es waere ein leichtes gewesen, fuer den schuldenerlass so viel entgegenkommen durchzusetzen. stattdessen raesonnierte koehler in wohlfeilen worten ueber die probleme afrikas mit korruption und demokratisierung. der wortlaut seiner rede war ueberall abgedruckt. viel heisse luft. und einem premier, der aethiopien massgeblich mit in den absurden krieg gegen eritrea (1998 - 2000) hineingeritten hat, erlaesst man das minimum demokratischer kultur. - in aethiopien gibt es 4,7 mio. waisen, lese ich. zurueckgelassen von hunger, krieg und AIDS. das sind immerhin 7 prozent der gesamtbevoelkerung. - ein neues gesetz legt erstmals eine mindeststrafe fuer vergewaltigungen fest, naemlich 5 jahre. wie eine frauenrechtlerin hierzu in einer zeitung bemerkte, konnten vergewaltiger bisher damit rechnen, mit laeppischen strafen davonzukommen (wenige monate, geldbusse). - gewalt gegen kinder und frauen scheint in aethiopien ein echtes problem zu sein. in mehreren zeitungen wurde innerhalb der letzten acht tage darueber berichtet. vor allem eine strikte festschreibung von kinderrechten fehle bisher. - und noch einmal premier meles zenawi. der hat vor kurzem einen 5-punkte-friedensplan fuer den konflikt mit eritrea vorgelegt. das erstaunliche: zenawi begnuegt sich nun damit, den zustand vor dem krieg von 1998 wiederherzustellen, den er vor zwei jahren noch als inakzeptabel bezeichnet hatte. die fuenf punkte sind ein witz. punkt 1 beinhaltet zum beispiel, dass sich aethiopien dem frieden verpflichtet fuehlt. so fuellt man diplomatisches papier. - die wochenzeitung "capital" titelte "water crisis in addis". der zustand der wasserversorgung in der hauptstadt ist offenbar total verrottet und chemisch belastet. und in naher zukunft wohl irreparabel. das ist um so erstaunlicher, als grosse teile aethiopiens nicht unter wassermangel, und addis liegt im zentralen hochland, das saftig gruen ist. der leitartikel von capital war dennoch tiefpessimistisch. "ethiopia is dying" lautete die these. -nbo

 

in der recycling-stadt
addis, 20.12.2004

in addis gibt es nicht einfach nur einen markt. es gibt den "mercato". den groessten markt in ostafrika. eine stadt in der stadt. er ist so gross, dass man wir ihn zunaechst fast uebersehen. denn all die wellblaechdaecher, die sich westlich vor der piazza den hang hinabziehen, sind keine daecher von heruntergekommenen wohnhaeusern. es sind marktbuden, zwischen denen sich gaenge von hoechstens anderthalb metern breite befinden. der mercato erfordert eigentlich einen eigenen stadtplan. da gibt es ein ganzes viertel, in dem nur stoffe verkauft werden, so gross wie in vielen anderen staedten der ganze markt, viertel fuer schuhe, korbwaren, haushaltskram... nachdem wir zwei stunden in sengender hitze durch dieses scheinbare durcheinander gelaufen sind, kommen wir in eine gasse ohne asphalt, voller schotter und schlagloecher. laster und minibusse sind in einem stau verkeilt, es geht nicht vor und zurueck, menschen sich durch die wagen. an einer ecke werden leere mineralwasserflaschen zu buendeln verschnuert, leere konservendosen gesammelt. ein paar meter weiter stossen wir auf alte reifen. ein paar werden zerschnitten und in badelatschen umgewandelt. wir gehen weiter, winden uns zwischen "you" rufenden kindern und neugierigen erwachsenen hindurch. die gasse wird immer enger und schmutziger, faellt ab, oelschlieren schimmern in pfuetzen zwischen dicken wackersteinen. ein paar maenner sitzen in diesem dreck und biegen armiereisen zurecht. hier ist kein durchkommen, wir suchen einen anderen weg. ein lautes haemmern ertoent. schwarzverschmierte maenner schlagen auf ausrangierte stossdaempfer von lastern und bussen ein. wir biegen um die ecke und landen in einer "stahlhandlung". ueberall sind staebe in buendeln gestapelt, die meterhoch in den himmel ragen. einige meter daneben schneiden andere lederriemen zurecht. frauen tragen koerbe und wannen vorbei, niemand steht still, alle such den weg zu einem gegenstand, der ihnen fehlt. ein mann sitzt in einem verschlag und repariert buegeleisen. an den waenden stapeln sich elektroartikel und elektroschrott, laden an laden, kein knopf, kein schalter, kein motor, der sich hier nicht finden liesse. was bei uns wahlweise als oekonomischer luxus oder oekologische zukunftsvision gilt, hier ist es blanke ueberlebenskunst. alles muss wiederverwertet werden, weil das neue unbezahlbar ist. die alltagstechnik, die wir im geschaeft kaufen, ist hier ein schweineteurer import, den sich nur die upper class leisten kann. der rest ist auf die kunst des recyclings angewiesen. was uns auf den ersten blick bemitleidenswert oder rueckstaendig vorkommt, ist moeglicherweise eine notwendigkeit in der zukunft auf einem ausgelaugten planeten. wenn bei uns eine neue oelkrise oder ein crash der weltwirtschaft die hightechzivilisation zusammenbrechen liesse, waere addis laengst gewappnet. hier wuesste man die lebensdauer der technosphaere noch um jahre zu verlaengern, wenn man bei uns schon laengst resigniert haette, weil nichts mehr geht. -nbo

 

tor fuer aethiopien
addis, 19.12.2004

sonntag nachmittag. die hauptstadtstrassen sind leergefegt. die aethiopische nation haengt vor dem fernseher: aethiopien spielt in der ostafrika-meisterschaft gegen sansibar. das letzte gruppenspiel vor dem einzug ins halbfinale. was da im schneegestoeber des fernsehbildes in unserem hotelinnenhof zu erkennen ist, beeindruckt nicht gerade. ein einziges ballgeschiebe im mittelfeld, manchmal verspringt auf dem grasacker des stadions von addis. immerhin keine rueckpaesse zum torwart. aber auch kein offensivdrang. im strafraum passiert nichts. "den aethiopiern fehlt ein torjaeger", sage ich zu einem aelteren aethiopier, der auch guckt. "du hasst es erfasst", antwortet er laechelnd. die mannschaften kommen aus der halbzeitpause. aethiopien dreht jetzt auf. "antenne" treibt den ball immer wieder ueber die linke seite, jedenfalls scheint das der name zu sein, wie ich aus dem amharischen wortstrom des reporters schliesse. die sansibarer sind noch schwaecher geworden und fallen alle fuenf minuten theatralisch zu boden. antenne zu "schnaffi", schnaffi passt zu "aider", da ploetzlich ein getuemmel im sansibarischen strafraum, der ball fliegt senkrecht nach oben, was macht der sansibarer torwart da, er kommt nicht heran, ein aethiopier legt sich quer in die luft und haemmert die kugel zwischen vier verdutzten abwehrspielern aus zehn meter ins netz. ohrenbetaeubender jubel bricht los: 1:0 fuer aethiopien, die lautsprecher des fernseher verzerren, und der sender zeigt sogar ein wiederholung. die gesichter der aethiopier im hotelinnenhof entspannen sich. einige minuten spaeter, schnaffi und antenne haben wieder die sansibarische abwehr durcheinandergebracht, der wird in die rechte strafraumhaelfte gepasst, aider, dieser ballfuchs, stoppt vorbildlich, legt sich auf rechts vor, zieht ab und tor! 2:0 fuer aethiopien. da sah der sansibarische torwart alt aus, als die kugel an ihm vorbei ins rechte obere eck zischte. kurz vor schluss besorgt aider mit einem flachen 20-meter-schuss ins linke untere ecke den 3:0-endstand. die zuschauer tanzen, gesaenge erschallen von der tribuene, die denselben rhythmus wie in unseren stadien haben. eine aethiopische pop-ikone mit weissen haaren schmettert nach abpfiff ein patriotisches lied, und draussen hoert man die ersten autos hupen. heute sind alle gluecklich. -nbo PS: aethiopien besiegte im halbfinale kenia gluecklich im elfmeterschiessen und im finale burundi mit 3:0, diesmal aber souveraen. da war vielleicht was los.

 

Die Welt des schoenen Scheins
Addis, 18.12.2004

Mitten in Addis steht eine Festung, sie gehoert zum Koenigreich Sheraton, die Residenz der Reichen und der Businesswelt, inmitten der Strassenbuden und alltaeglichen Durchschnittsarmut. Wir gehen hin, um Geld zu wechseln. Vorbei an den uniformierten Wachen, durch Sicherheitsschleusen in die wohltemperierte Halle. Professionell laechelndes Personal begruesst uns zurueckhaltend, alle ausgebildet in Europa. Aus den Lautsprechern rieselt sanft Konserven-Weihnachtsmusik, unter dem Weihnachtsbaum liegen Deko-Geschenke, alles funkelt und glitzert. In diesem gigantischen Hotelkomplex kosten die Zimmer im Schnitt 300 $ die Nacht, die Suite ist fuer schlappe 4.300 $ zu haben. Eine Summe, die fuer einen Aethiopier einem Lottogewinn gleichkaeme. Aber fuer Einheimische ist dieser Schuppen auch nicht gedacht, hier ist man entre nous. Im hoteleigenen Bookshop wollen wir ein Buch ueber die afrikanische Entwicklungspolitik mit Kreditkarte bezahlen, immerhin 198 Birr, umgerechnet ungefaehr 18 Euro. "No, not for small amounts", laechelt mir die aethiopische Kassiererin entgegen. Was denn, bitteschoen, not a small amount fuer sie sei, moechte ich von ihr wissen. "Starts at 500 Birr", ist ihre gepflegte Antwort. 500 Birr! Das durchschnitliche aethiopische Monatseinkommen ist hier der Mindestbetrag fuer Kreditkartenzahlung. Unfassbar! Wer hier absteigt und behauptet, in Aethiopien gewesen zu sein, luegt sich in die eigene Tasche. Als interessante Randbemerkung sei noch erwaehnt, dass die Sheraton Hotelkette dem Aethiopier Al Amoudi gehoert. Und nicht nur die, auch den Pepsi Konzern nennt er sein Eigen. Ausgewandert in den 70ern residiert er nun in Saudi Arabien. Ars vivendi! nach Diktat verreist -dwo

 

what time is it?
addis, 18.12.2004

heute ist der 10.4.1997 in aethiopien. ein land, das im wahrsten sinne des wortes in der vergangenheit lebt, weil hier noch der alte julianische kalender kalender gilt, der bei uns im mittelalter abgeschafft wurde. und wenn man mit irgendjemandem hier eine uhrzeit ausmacht, heisst es: "OK, at eight o'clock in your time." ich habe das zuerst fuer eine floskel gehalten, "in your time". aber ein blick auf armbanduhren, etwa im bus, zeigt immer eine andere uhrzeit. nach einiger zeit stelle ich fest, dass die uhren konsequent anders gehen, und zwar sechs stunden vor (oder nach, wie man es sehen will). wenn wir uns um zwei uhr nachmittags im bus fragen, wie lange wir wohl noch brauchen, ist es auf aethiopischen handgelenken acht. des raetsels loesung: sieben uhr morgens ist hier ein uhr am tag, sieben uhr abends ein uhr nachts. auch sonst ist die vergangenheit allgegenwaertig. im kino gegenueber unserem stammcafe laeuft "the rock" mit sean connery, ein actionschinken von 1996 oder "I know what you did last summer" von 1997. die zeitungshaendler vor dem kino verkaufen time-, newsweek- oder economist-ausgaben von 2001. keine ahnung, wer das noch liest. selbst in einem ordentlichen buchladen wie bookworld sind nur internationale magazine von vor vier, fuenf wochen zu bekommen. in aethiopien gehen nicht nur die uhren anders, sondern auch die frauen. sie sehen nicht nur gut aus, sie sind auch noch vorwitzig. als wir gestern eine strasse lang gingen und eine gruppe von drei schlendernden aethiopierinnen ueberholten, zupfte es mich ploetzlich am aermel. darauf sogar ein kniff in den arm, gefolgt von einem kichern und giggeln. nach dem nahen osten ein ganz ungewohntes, auesserst sympathisches gefuehl. -nbo

 

macchiato an der piazza
addis abeba, 18.12.2004

was fuer eine erleichterung. wir hatten schon mit dem schlimmsten gerechnet. addis, wie man hier sagt, sei eine trostlose stadt, meinten die anderen traveller in bahar dar, noch viel schlimmer als diese stadt am tana-see. aber addis ist klasse. eine entspannte grossstadt, die in einem talkessel liegt und anders als khartoum wirklich eine stadt ist. an der "piazza" sitzen wir in einem strassencafe und trinken espresso macchiato. ein paradies fuer kaffeetrinker. geschaeftsleute, tagediebe, stadt-hipster sitzen hier gegenueber dem kino in der sonne und schluerfen ihren kaffee. die kellnerinnen haben abgefahrene lockenfrisuren, und gut sehen sie sowieso fast alle aus. um die ecke von unserem "hotel baro", das eine ueppig gruenen innenhof hat, reihen sich bars und puffs aneinander. mensch, da fuehlt man sich ein wenig wie zuhause. die stimmung steigt, das heimweh verfliegt beim dritten "makiato" und bahar dar ist nur noch eine bloede episode. jeden tag werden die karten eben neu gemischt auf dieser tour. -nbo

 

fruehstueck in fuenf akten und andere merkwuerdigkeiten
Bahar Dar, 15./16.12.2004

kann ich bitte noch einmal die araber zurueckhaben? die letzten 24 stunden in bahar dar sind das frustrierendste, was wir bisher erlebt habe. schlimmer noch, wir sind total angefressen und regen uns auf. genau das aber macht dich als reisenden angreifbar. wenn einem das lachen vergeht, kommt's erst recht dicke. fangen wir mit dem komischen an: unserem fruehstueck im hotel "dubambessa", fuer hiesige verhaeltnisse teure mittelklasse (dafuer ist das bad sauber, es liegt am tana-see, die zimmer sind schoen). wir sitzen auf der terrasse mit seeblick und bestellen unser fruehstuck. die kellnerin nickt dauernd, und uns schwant schon, das sie kein wort verstanden hat. drei minuten spaeter kommt ihre kollegin, die ein wenig englisch kann, und nimmt die bestellung noch einmal auf. irgendwann kommt das brot. fuenf minuten spaeter die cornflakes (die ersten in afrika), aber ohne milch. drei minuten spaeter die milch. dann ein einzelner saft. wir lachen schon. zuletzt kommt der kaffee, der in aethiopien eigentlich die einfachste sache ist. keiner in diesem schuppen spricht einen zusammenhaengenden satz englisch. aber alle nicken und sagen staendig "yes", auch wenn man eine frage stellt, die man nicht mit "ja" beantworten kann. weniger lustig ist die touristenverarschung gestern nachmittag. wir fahren zum wasserfall des blauen nils, der hier aus dem see entspringt. als wir unser ticket bezahlt haben, kommen wir nach ein paar hundert metern an die stelle, wo man ueber den nil uebersetzen muss. ein haufen schergen umringt uns und will fuers uebersetzen mehr haben als fuer den eintritt (20 birr, ein abendessen fuer zwei hier). wir sind unter anderem mit drei aethiopiern aus addis unterwegs, die ebenfalls kaum glauben koennen, was diese typen dafuer haben wollen. als wir uns wundern, werden sie auch noch aergerlich. wir beissen in den sauren apfel und setzen ueber. dann die naechste ueberraschung: der wasserfall existiert nicht mehr. eine laecherliche dusche rauscht die felsklippe runter, waehrend das wasser ins nahe wasserkraftwerk umgeleitet wird. das ist das gute recht der aethiopier, aber warum streichen sie den "wasserfall" dann nicht von ihrer liste der sehenswuerdigkeiten? die drei aus addis sind tief enttaeuscht. abends wollen wir nach nairobi telefonieren, um erkundigungen bei einer safari-agentur einzuholen. auf meinem handy erscheint zwar das netz der ethiopian mobile, aber einloggen kann man sich nicht. ein typ vor dem hotel, der freund von unserem wasserfall-guide, bietet uns an, von seinem handy aus anzurufen, wenn wir eine prepaid-karte kaufen. na gut. dann waehlen wir uns eine dreiviertelstunde die finger wund, um bei jeder nummer, selbst der der deutschen botschaft in nairobi, "the number does not exist" zu hoeren. das guthaben ist verloren - es ist auf das handy unseres helfer gebucht. ein schelm, boeses dabei denkt. mehr als die haelfte will er uns aber nicht geben, denn es sei ja nicht seine schuld, dass die verbindung nicht zustande gekommen sei. "I want just be friendly to you". meine laune ist im keller bei solch blumigem gelaber. heute haben wir dann versucht, einen minibusplatz nach nairobi zu ergattern, weil die strecke dann in einem tag zu bewaeltigen ist. oeffentliche busse muessen eine zwangsuebernachtungspause einlegen, weil sie nicht nach einbruch der dunkelheit fahren duerfen. lustig nur, dass in aethiopien alle busse um 5:30 h losfahren, wenn es stockdunkel ist (sonnenaufgang ist hier um 7 h) und die fahrer sicher total ausgeschlafen sind (man sieht sie noch am abend vorher um zehn putzmunter um preise feilschen). wir fragen also morgens im hotel, und ja, verspricht man uns, der minibusplatz wir organisiert. als wir mittags nachfragen, weiss an der rezeption niemand von nichts. sicherheitshalber hauen wir noch einen zweiten typen draussen vor dem hotel an, denn jeder behauptet hier, einen platz im minibus organisieren zu koennen. nachmittags kommen auf einmal zwei typen auf uns zu, der deal sei perfekt, fahrer und wagen kaemen gleich. stunden vergehen. waehrenddessen schnellt der preis um 50 % in die hoehe. das liege an angebot und nachfrage, erklaeren uns die aethiopier. viel nachfrage, hoehere preise. das nenne ich marktwirtschaft im stundentakt. folgerichtig wird der mann, der die minibusse organisiert, auch "broker" genannt. aber es gibt nur einen broker im ort. von wegen marktwirtschaft. als wir erneut fragen, wann denn der wagen komme - man soll hier in kein fahrzeug einsteigen, dass man nicht vorher gesehen hat -, wird einer der typen fuchtig. "do it or not", sagt er, "I'm not pushing you." da muss ich fast lachen, aber ich bin schon zu wuetend. langschweifige erklaerungen folgen zum x-ten mal, dann wieder druck, sich fuer einen der beiden minibusse zu entscheiden. nun koennte man sagen, ja wir sind von unserer sudan-durchquerung ausgepowert. sind wir, keine frage, sonst haetten wir alles weggelacht. aber wir treffen andere, denen es in dieser stadt genau so geht. ein aelterer serbe bei uns im hotel schimpft wie ein rohrspatz. ein traveller-paar aus israel, das wir in einem cafe treffen, ist total angepisst. und das, obwohl die frau urspruenglich aus aethiopien stammt. sie findet ihr frueheres heimatland fuerchterlich. wir haben beide zum ersten mal seit dem dammtor richtiges heimweh. -nbo

 

Abgestempelt
Bahar Dar, 15.12.2004

Hier in Aethiopien gehen die Uhren anders, und zwar jede. Keine zeigt die selbe Uhrzeit an, jede hat ihre eigene Zeit. Die Taktgeber der westlichen Welt sind hier offensichtlich reine Dekorationsartikel oder wir haben das System nur noch nicht verstanden. Nachdem wir gestern in Bahar Dar, einem kleinen Ort am Lake Tana angekommen sind, faellt es uns schwer, gute Laune zu behalten. Hier herrschen bad vibrations. Nur einfach ein Gast in diesem Land zu sein, funktioniert hier in Aethiopien nicht. Man ist Tourist, ein weisser Leuchtturm und muss dafuer bluten. Fast scheint es, als wuerde man dafuer bestraft, dass man Interesse an diesem Flecken Erde hat. Der Weisse ist reich und sie sind arm und deswegen muessen wir blechen, aber richtig. An jeder Ecke wird man aufs Uebelste abgezockt. Als muesse man eine Ablasszahlung fuer vorrangegangene Ungerechtigkeit leisten. Und dabei ist gerade Aethiopien das Land, dass niemals eine europaeische Kolonie gewesen ist, bis auf die kurze siebenjaehrige Besetzung durch Italien. Also koennen sie sich auch nicht auf Wiedergutmachung berufen, sie haben sich hier alles selber eingebrockt, ihr Missmanagement und ineffiziente Landwirtschaftstechnik hat es in diesen maroden Zustand hineinkatapultiert. Der 17 Jahre waehrende Kommunismus bis 1991 hat ihm dann noch den Rest gegeben. Durch die westlichen Hilfsorganisationen kam dann das weisse Geld hierher, und seitdem sind wir abgestempelt als goldene Kuehe. Vor allem im Tourismus wird man uebers Ohr gehauen, dass einem Hoeren und Sehen vergeht und vor allem die Froehlichkeit. An allen oeffentlichen Stellen scheint Abzocke befohlen. Bei Eintritten und Transport zahlen wir dass 2-3 fache der einheimischen preise. Damit haette ich grundsaetzlich kein Problem, wenn sie zudem nicht auch noch ganz offensichtlich versuchen wuerden, die Kosten einer kompletten Minibusladung auf uns abzuwaelzen. Hinter ihrem Ruecken tun wir uns mit anderen Touristen zusammen, um auf eigene Faust die Fahrt nach Addis Abeba zu organisieren, nur um nicht erneut uebers Ohr gehauen zu werden. Am naechsten Morgen kommt der Minibus natuerlich nicht, weil sie hier alle unter einer Decke stecken, Saubande. Es ist traurig und hinterlaesst einen bitteren Nachgeschmack. Und dass, obwohl ich gerade auf dieses Land so gespannt war. Der einzige Ort, wo ich bis jetzt nicht dieses ungute Gefuehl hatte, waren die Kneipen und Cafes, in denen wir fuer ein komplettes Fruehstueck mit Satft und Kaffe umgerechnet 1,80 Euro bezahlt haben. Nicht dass es mir um den Betrag des Geldes geht, natuerlich sind wir reich gemessen am Durchschnittslohn hier. Es geht mir vielmehr um das Gefuehl der Gleichbehandlung und des Willkommenseins. Denn genaugenommen praktizieren sie hier jetzt nichts anderes, als die ihnen nur zu gut bekannte Ungleichbehandlung, nur eben umgekehrt, schwarz gegen weiss. Die Atmospaere zwischen "Gaesten" und Einheimischen erinnert mich hier schwer an Kuba. Wir muessen zahlen und uns obendrein noch schlecht fuehlen, des Gewissens wegen. Weder moechte ich wegen meiner Hautfarbe bevorzugt, noch benachteiligt werden. Ich moechte einfach nur das Land kennenlernen. Mann, wie ticken die hier eigentlich. Zum ersten mal beschleicht mich so ein Gefuehl wie Heimweh. nach Diktat verreist -dwo

 

halbe strecke
gondar, 14.12.2004

die erste etappe ist geschafft. bis gondar regierte der zeitplan, aufgedrueckt vom stempel des aethiopischen visums. macht nichts. so haben wir mehr zeit in ostafrika mit seinen phantastischen landschaften. staedte und historische orte haben wir auch genug gesehen. jetzt sitzen wir in unserem runden hotelturm in gondar und legen eine art wochenende ein. lesen, essen, kaffee trinken, vom balkon in die landschaft schauen. planen. luft holen. an zuhause denken: an das gemuetliche, saubere bett in unserer wohnung. an st. pauli und phiesta sowieso. an ein koelsch in der bar centrale, einen wein "auf der ecke" bei mr. kebap (in unserer erinnerung ist in hamburg immer noch spaetsommer/fruehherbst), an das schwarzbrot in der baeckerei in der paul-roosen-strasse, einen joghurt im glas, spaghetti mit pesto, ein fischbroetchen an den landungsbruecken, die elbe, einen galao beim portugiesen, einen schwarzen bei karlo, einen von knuts cocktails, an den tue-bop... zwei monate ist das alles her. 9.800 kilometer haben wir vom dammtor zurueckgelegt. noch mal soviel liegen vor uns, wie uns gestern zwei suedafrikaner gesagt haben, die von kapstadt hochgekommen sind. morgen geht's weiter. -nbo

 

jenseits von entenhausen
gondar, 13.12.2004

gondar ist verwirrend und unwirklich. in 2200 metern hoehe gelegen, mit jahrhunderte alten burgartigen schloessern, die fast schottisch anmuten, eingerahmt von huegeln mit waldstuecken und weiden, die einen eher an eine voralpenlandschaft erinnern. schilder sind mit seltsamen runen beschriftet (amharisch). im zentrum befindet sich die "piazza", die die italiener samt grossem cafe aus ihrer sechsjaehrigen kolonialzeit hinterlassen haben. die aethiopier sind zwar schwarz, aber ihre gesichter haben oft wenig aehnlichkeit mit den afrikanern, die man normalerweise im kopf hat. eher sehen sie europaeisch aus, nur eben dunkel. gondar wirkt wie eines dieser unter dichten wolken verborgenen maerchenlaender, auf das die duckfamilie nach tausenden von kilometern auf schatzsuche jenseits von entenhausen in gestuerzt ist. im ethiopia cafe an der piazza trinken wir erst mal einen kaffee. schoen stark, die aethiopische variante des espresso, mit viel crema. sobald wir aber einen fuss vor die tuer des cafes oder hotels setzen, sind wir von einer horde kinder und jugendlicher umringt, die uns wie ein schwarm folgt. die kleineren fragen "mister, buy me book?", die aelteren "you go to simien mountains?". daran muss man sich gewoehnen, die kerle verschwinden nicht. die erwachsenen sind auf den ersten blick um so reservierter. sitzt man aber erst mal mit ihnen in einer der zahlreichen kneipen zusammen, tauen sie sofort auf. in einer mischung aus kramladen und bar trinken wir aethiopischen ouzo (nicht schlecht!) und laestern ueber den sudan. da lachen die aethiopier schallend. waehrenddessen wird ueber die tresen-theke wasser und klopapier verkauft. in der ecke wippt ein mann im rhythmus der musik. die besitzerin des ladens winkt uns am naechsten morgen gleich freudestrahlend zu - wahrscheinlich auch, weil woldo meinte, aethiopische frauen wuerden so gut aussehen. das hat ihr sichtlich geschmeichelt.die aethiopischen maenner sind fussballverrueckt. als wir nachmittags in unserem zimmer sind, hoeren wir ploetzlich ein tierisches geschrei von oben. ich renne rauf in die rooftop bar, ein tor ist gefallen. die bar platzt aus allen naehten, so viele wollen das spiel sehen. ich denke, das tor muss fuer aethiopien gefallen sein. ein blick auf den bildschirm belehrt mich eines besseren: es ist ein premier-league spiel zwischen arsenal und birmingham. englischer fussball ist das einzige, was hier zaehlt. mit den aethiopien-klischees, die sich seit dem band-aid-konzert 1984 in allen koepfen festgesetzt haben, hat das alles hier nichts zu tun. weder hungernde blaehbaeuche noch fliegenuebersaete kinderkoepfe. bettler gibt es allerdings genuegend, die auch den einheimischen ihr spruechlein runterbeten. auffaellig ist auch, dass hier unglaublich viele leute in den strassen unterwegs sind, ohne erkennbar etwas zu tun zu haben. das ist das einzige indiz dafuer, dass es aethiopien wohl nicht so gut geht, wie einen das entspannte treiben glauben laesst (aethiopien ist im human development report der UNO auf platz 170 von 177). -nbo

 

paradies im grenzmuell
metema, 11.12.2004

als es schon dunkel ist, passieren wir endlich die bruecke zwischen gallabat/sudan und metema/aethiopien. mateus, ein junger typ, der sein auskommen als grenzgaenger findet, hat uns durch die amtsstuben gelotst. jetzt staunen wir ueber die hauptstrasse von metema, einem dorf, in dem naechtliches leben brodelt. in einer huettenbar fallen wir verschwitzt und staubbedeckt wie grubenarbeiter auf einen stuhl und zischen das erste bier seit aegypten. im hintergrund laeuft groovige mucke, die frauen tragen keine kopftuecher mehr, und alle sind entspannt. ein travellerparadies! dass es schaebig ist, stoert uns nicht, im schein der lichter wird hier alles in eine hippie-atmosphaere getaucht. und wir sind zu kaputt, um noch ansprueche zu stellen. unser zimmer ist ein verschlag, die toilette im hof ein loch im boden, an dessen grund im schein der taschenlampe es krabbelt und wabert. auch das ist reisen. mateus findet fuer uns hinter der zehnten huette abseits der hauptstrasse noch ein geoeffnetes restaurant, in dem wir injera, das graue, poroese, pfannkuchenartige brot aethiopiens, mit fleisch essen. zum schluss ein bier in einer der unzaehligen huettenbars. und ueberall nur junge leute. keiner ist aelter als 25 (aethiopien ist das zweitbevoelkerungsreichste land afrikas, mit 72 millionen einwohnern). ob metema bei tageslicht traurig aussieht, werden wir nie erfahren: unser bus nach gondar faehrt am naechsten morgen freundlicherweise um halb sechs. -nbo

 

 

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